ADHS Erwachsene

10 Minuten

Aktualisiert am 9. April 2025

 

  • ADHS ist auch im Erwachsenenalter keine Seltenheit.
  • Typische Symptome sind Probleme mit der Selbstorganisation, Unaufmerksamkeit, innere Unruhe, Konzentrationsschwierigkeiten, Probleme bei der Entscheidungsfindung und Impulsivität.
  • Bei Nichtbehandlung drohen eingeschränkte Lebensqualität und weitere psychische Erkrankungen.
  • Die Diagnose erfolgt anhand von klinischen Interviews, speziellen Fragebögen für Erwachsene zur Selbsteinschätzung sowie ggf. neuropsychologischen Tests.
  • Behandelt wird multimodal mit Medikamenten und Psychotherapie.
  • Hilfe bieten Fachärzte für Neurologie, Therapeuten und Selbsthilfegruppen.

ADHS – bei Erwachsenen oft unterschätzt

 

ADHS wird als Syndrom in den meisten Fällen im Kindes- und Jugendalter diagnostiziert, da die Symptome in diesem Alter oft besonders auffällig sind. Früher ging man davon aus, dass ADHS mit fortschreitendem Alter verschwindet. Tatsächlich leiden jedoch auch viele Erwachsene unter den Symptomen. Deshalb ist eine fachgerechte Diagnostik und Therapie wichtig.

Wie häufig tritt ADHS im Erwachsenenalter auf?

 

Die aktuelle Studienlage hat für ADHS im Erwachsenenalter eine relativ hohe Prävalenzrate von gut 3 Prozent ermittelt1. Schätzungen gehen davon aus, dass bis zu 70 Prozent aller Erwachsenen, bei denen die Störung im Kindes- und Jugendalter aufgetreten ist, auch im Erwachsenenalter noch unter Symptomen leiden. Da die Diagnosestellung im Erwachsenenalter ohne vorherige Diagnose im Kindesalter erst seit kurzem umfassende Beachtung findet, ist von einer hohen Dunkelziffer auszugehen.

Welche Symptome treten bei Erwachsenen mit ADHS auf?

 

Die Erwachsenen-ADHS-Symptomatik unterscheidet sich in Teilen von den bei Kindern und Jugendlichen beobachtbaren Symptomen. Die bei Kindern erlebte, häufig ausagierte motorische Unruhe rückt bei Erwachsenen stärker in den Hintergrund und zeigt sich eher in innerer Unruhe oder einem Gefühl des Getriebenseins. Die Kriterien der Wender-Utah-Scale tragen diesem Umstand Rechnung2:

Welche Ursachen hat ADHS bei Erwachsenen?

Die Ursachen für ADHS bei Erwachsenen unterscheiden sich nicht von den Ursachen, welche die Störung bei Kindern und Jugendlichen auslösen. Bis heute ist die Entstehung der Aufmerksamkeitsdefizit- und Hyperaktivitätsstörung nicht vollständig geklärt. Derzeit geht man von einem multifaktoriellen Geschehen aus, bei dem genetische, psychosoziale und umweltbedingte Faktoren eine Rolle spielen.

Genetische Faktoren

 

Familien- und Zwillingsstudien zeigen, dass es eine genetische Prädisposition für die Ausbildung einer ADHS gibt. Trotzdem sollte sie nach aktuellem Forschungsstand nicht überschätzt werden, da die relevanten Genvarianten insgesamt recht häufig in der Bevölkerung vorkommen.3

Hirnstruktur und -stoffwechsel

 

Menschen mit ADHS zeigen neurochemische und neurobiologische Besonderheiten, wobei insbesondere das Gleichgewicht der Neurotransmitter Dopamin und Noradrenalin im Gehirn gestört ist, mit negativen Auswirkungen auf die Signalübertragung und das Zusammenspiel von Aufmerksamkeits- und Motivationssystemen. Überdies ist der Dopaminabbau bei ADHS beschleunigt. Ursachen hierfür liegen u. a. in einer geringeren Durchblutung der vorderen Hirnabschnitte, einer geringeren Aktivität der rechten, vorderen Hirnregion und einer genetischen Veränderung im Dopamin-Transporter-Gen.4

Umweltfaktoren

 

Es gibt viele Umweltfaktoren, die eine ADHS bei Kindern und Jugendlichen und damit auch eine spätere ADHS im Erwachsenenalter begünstigen können. Allerdings gibt es auch hier keine eindeutigen Ursache-Wirkungs-Zusammenhänge! Folgende Faktoren können zur Ausbildung einer ADHS beitragen: Noxen wie Nikotin, Alkohol oder Drogen während der Schwangerschaft, Komplikationen während Schwangerschaft und Geburt, Schädelhirntraumen oder -verletzungen, familiäre Belastungen wie psychische Erkrankungen eines Elternteils, instabiles emotionales Umfeld, prekäre soziale Verhältnisse, dysfunktionale Erziehungsmethoden, z. B. häufige Kritik und Bestrafungen.5

Wie kann man ADHS testen bei Erwachsenen?

 

Die Diagnose der psychischen Störung wird in der Regel schon bei Kindern und Jugendlichen gestellt. In der Regel fällt die Symptomatik in diesem Alter das erste Mal auf und die typischen Anzeichen lassen sich leicht erkennen. Für eine korrekte ADHS-Diagnostik bei Erwachsenen muss eine retrospektive Anamnese erfolgen. Hierfür werden verschiedene Verfahren und Tests genutzt6:

Wie wird ADHS bei Erwachsenen behandelt?

 

Grundsätzlich kann die psychische Erkrankung auch bei Erwachsenen gut behandelt werden, sodass Betroffene deutlich an Lebensqualität gewinnen können. Damit das gelingt, gilt die Devise: Je früher die richtige Therapie einsetzt, umso besser. Dadurch sinkt das Risiko für Folge- und Begleiterkrankungen wie Depressionen, Suchterkrankungen, Angststörungen, bipolare Störungen uvm.

ADHS-Medikamente

Medikamente sind nicht nur bei betroffenen Kindern und Jugendlichen der oftmals wichtigste Bestandteil einer multimodalen Therapie, sondern auch bei Erwachsenen. Eine groß angelegte Untersuchung aus Schweden zeigt, dass eine medikamentöse Therapie das Risiko für eine stationäre psychiatrische Behandlung sowie das Suizidrisiko senken kann7.

Psychotherapie

Psychotherapie ist ein wesentlicher Baustein der Behandlung von ADHS bei Erwachsenen und als Begleitung zur medikamentösen Therapie sinnvoll. Bewährt haben sich vor allem individuelles klinisches Management und Coachings sowie gruppenbasierte kognitive Verhaltenstherapie. Die psychotherapeutische Behandlung bekommt außerdem einen umso größeren Stellenwert, je geringer die positiven Auswirkungen der Behandlung von ADHS mit Medikamenten bei Erwachsenen sind.8

Ergänzende Behandlungsmethoden

Neurofeedback ist eine Methode zur Verbesserung von Aufmerksamkeit, Impulskontrolle und Selbstregulation, die auch bei Erwachsenen-ADHS eingesetzt wird. Patienten lernen, bestimmte Hirnregionen zu aktivieren, um Reize besser verarbeiten und anstehende Aufgaben fokussierter bewältigen zu können.

Wie wird ADHS bei Erwachsenen behandelt?

 

Grundsätzlich kann die psychische Erkrankung auch bei Erwachsenen gut behandelt werden, sodass Betroffene deutlich an Lebensqualität gewinnen können. Damit das gelingt, gilt die Devise: Je früher die richtige Therapie einsetzt, umso besser. Dadurch sinkt das Risiko für Folge- und Begleiterkrankungen wie Depressionen, Suchterkrankungen, Angststörungen, bipolare Störungen uvm.

ADHS-Medikamente

 

Medikamente sind nicht nur bei betroffenen Kindern und Jugendlichen der oftmals wichtigste Bestandteil einer multimodalen Therapie, sondern auch bei Erwachsenen. Eine groß angelegte Untersuchung aus Schweden zeigt, dass eine medikamentöse Therapie das Risiko für eine stationäre psychiatrische Behandlung sowie das Suizidrisiko senken kann7.

Psychotherapie

 

Psychotherapie ist ein wesentlicher Baustein der Behandlung von ADHS bei Erwachsenen und als Begleitung zur medikamentösen Therapie sinnvoll. Bewährt haben sich vor allem individuelles klinisches Management und Coachings sowie gruppenbasierte kognitive Verhaltenstherapie. Die psychotherapeutische Behandlung bekommt außerdem einen umso größeren Stellenwert, je geringer die positiven Auswirkungen der Behandlung von ADHS mit Medikamenten bei Erwachsenen sind.8

Ergänzende Behandlungsmethoden

 

Neurofeedback ist eine Methode zur Verbesserung von Aufmerksamkeit, Impulskontrolle und Selbstregulation, die auch bei Erwachsenen-ADHS eingesetzt wird. Patienten lernen, bestimmte Hirnregionen zu aktivieren, um Reize besser verarbeiten und anstehende Aufgaben fokussierter bewältigen zu können.

Was passiert, wenn ADHS im Alltag nicht behandelt wird?

Unbehandelt kann die psychische Erkrankung bei Betroffenen im Erwachsenenalter zu einer gravierenden Einschränkung der Lebensqualität führen. Nicht selten haben Patienten mit der Diagnose ADHS ausgeprägte Probleme im Beruf, in der Alltagsführung sowie in zwischenmenschlichen und partnerschaftlichen Beziehungen. Darüber hinaus besteht ein hohes Risiko für Komorbiditäten wie Abhängigkeitserkrankungen oder Depressionen.

Wo finde ich Hilfe, wenn ich ADHS als Erwachsener habe?

 

Hilfe bei ADHS bzw. beim Verdacht auf ADHS finden Erwachsene bei verschiedenen Anlaufstellen, wobei der Hausarzt oft die erste Adresse ist.

Fachärzte für Psychiatrie, Neurologie und psychosomatische Medizin

 

Psychologische Psychotherapeuten

Spezialisierte Kliniken für ADHS und Sucht

Selbsthilfegruppen Online-Selbsthilfegruppen

Telefonberatung des ADHS Deutschland e. V.

Hilfe bei spezifischen Vereinen

Was kann man selbst tun?

Was bzw. ob man als Betroffener etwas tun möchte bzw. muss, hängt stark vom individuellen Leidensdruck ab. Entspannungsübungen und -trainings können eine gute Möglichkeit sein, um innere Unruhe und Anspannung zu lösen. Mit Listen und Zeitplänen lässt sich der Alltag besser organisieren. Auf Alkohol und ähnliche „Hilfsmittel“ sollte grundsätzlich verzichtet werden.

Häufige Fragen zum Thema „ADHS Erwachsene“

 

Im Erwachsenenalter ist die ADHS-Symptomatik meist deutlich diffuser als bei Kindern und Jugendlichen. Betroffene wirken oft chaotisch und unorganisiert. Sie leiden unter Konzentrationsproblemen, Stimmungsschwankungen und impulsiven Affekten. Häufige Job- und Wohnortwechsel sowie Schwierigkeiten in zwischenmenschlichen Beziehungen können ebenfalls typisch für das Krankheitsbild sein.

 

Eine chaotische Lebensführung, Stimmungsschwankungen und Unzuverlässigkeit können eine Partnerschaft belasten. Hinzu kommt, dass viele Betroffene mit der Zeit Selbstzweifel sowie Begleiterkrankungen ausbilden, was Beziehungen stark strapazieren kann. Sich Hilfe zu holen, ist die effektivste Lösung, um derartigen Problemen zu begegnen. Gut zu wissen: Angehörige können in eine ambulante Behandlung oder eine stationäre Behandlung in einer Klinik für Psychiatrie eingebunden werden. So kann man herausfinden, welche Probleme aus dem Krankheitsbild resultieren und wie man in der Partnerschaft damit umgehen kann.

 

Alkohol wird von vielen Erwachsenen mit ADHS als Problemlöser missbraucht: Der beruhigende Effekt des Rauschmittels wird nicht selten zur „Selbstmedikation“ eingesetzt. Davon ist jedoch abzuraten: Zum einen können die psychischen Nebenwirkungen nach dem Konsum die Belastung noch vergrößern. Zum anderen besteht das Risiko für eine Abhängigkeitserkrankung (Alkoholismus).

1 Ayano, Getinet et al. „Prevalence of attention deficit hyperactivity disorder in adults: Umbrella review of evidence generated across the globe”, In: Psychiatry Research, Volume 328, Oktober 2023, 115449, https://doi.org/10.1016/j.psychres.2023.115449https://www.sciencedirect.com/science/article/pii/S0165178123003992 (Datum des Zugriffs: 08.08.2024)

 

2 Zentralinstitut für Seelische Gesundheit (ZI): „Aufmerksamkeitsdefizit-Hyperaktivitätsstörung (ADHS) des Erwachsenenalters“, S. 2. https://www.zi-mannheim.de/fileadmin/user_upload/downloads/lehre/flyer/Flyer-ADHS_im_Erwachsenenalter.pdf (Letzter Zugriff: 08.08.24)

 

3 Hohmann, Sarah et a. “Genetische Grundlagen der ADHS – ein Update“, In: Kinder- und Jugendpsychiatrie und Psychotherapie, Jahrgang 50, Heft 2, Mai 2022, https://doi.org/10.1024/1422-4917/a000868,https://econtent.hogrefe.com/doi/10.1024/1422-4917/a000868 (Letzter Zugriff: 08.08.24)

 

4 ADHS Ratgeber: „Hintergrund: Warum ist Dopamin bei ADHS Mangelware?“, https://www.adhs-ratgeber.com/adhs-was-passiert-im-koerper.html (Letzter Zugriff: 08.08.24)

 

5 Neurologen und Psychiater im Netz: „Ursachen von ADHS“, Autor: Tobias Banaschewski, Mannheim, https://www.neurologen-und-psychiater-im-netz.org/kinder-jugendpsychiatrie-psychosomatik-und-psychotherapie/stoerungen-erkrankungen/aufmerksamkeitsdefizit-hyperaktivitaets-stoerung-adhs/ursachen/ (Letzter Zugriff: 08.08.24)

 

6 Strauß, Maria: „Diagnostik und Differentialdiagnostik der adulten ADHS“, Medizinische Fakultät Universität Leipzig. Powerpoint-Präsentation S. 6, https://www.uniklinikum-leipzig.de/einrichtungen/psychiatrie-psychotherapie/Freigegebene%20Dokumente/Diagnostik%20und%20Differentialdiagnostik%20der%20adulten%20ADHS.pdf (Letzter Zugriff: 08.08.24)

 

7 Pharmazeutische Zeitung: „ADHS. Pharmakotherapie verhindert Folgeerkrankungen“, Autor Theo Dingermann, Stand: 11.04.2024 https://www.pharmazeutische-zeitung.de/pharmakotherapie-verhindert-folgeerkrankungen-146699/ (Letzter Zugriff: 08.08.24)

 

8 Vetter, Christine „ADHS bei Erwachsenen: Multimodale Therapie wirkt“, In: Dtsch Arztebl 2020; 117(51-52): A-2523, https://www.aerzteblatt.de/archiv/217204/ADHS-bei-Erwachsenen-Multimodale-Therapie-wirkt (Datum des Zugriffs: 08.08.2024)

Unsere leicht verständlich aufbereiteten Inhalte dienen lediglich der Information. Sie können und dürfen niemals eine ärztliche oder therapeutische Diagnostik, Beratung und Behandlung ersetzen. Wenden Sie sich bei Beschwerden bitte an Ihren Arzt. Alle Inhalte wurden gewissenhaft recherchiert, dennoch können wir aufgrund der Fülle der hier behandelten Themen keine Gewähr für Vollständigkeit und Richtigkeit übernehmen. Die auf unseren Seiten aufgeführten Hilfsangebote stellen lediglich eine Auswahl dar. Wir geben keine Empfehlungen. Gerne können Sie uns für die Aufnahme weiterer, offizieller Hilfestellen kontaktieren. Wir prüfen dann, ob wir diese aufnehmen können.