5 Phasen der Depression

10 Minuten

Aktualisiert am 20. Dezember 2024

 

  • Das Phasenmodell der Depression ist weit verbreitet, aber nicht wissenschaftlich nachgewiesen.
  • Der Verlauf beginnt bei negativen Gedankenmustern in Phase 1 und reicht bis zu Suizidgedanken in Phase 5.
  • Studien zeigen, dass der Verlauf einer depressiven Erkrankung stark variiert und es keine festen Phasen gibt, die nacheinander ablaufen.
  • Manche erleben wiederkehrende depressive Episoden mit symptomfreien Zeiten dazwischen. Das 5- Phasen-Modell suggeriert jedoch, dass die Symptomatik immer zu Suizidgedanken führt.
  • Das vereinfachte Modell kann bei Betroffenen und Angehörigen Fehleinschätzungen auslösen und die Behandlung verzögern, wenn die eigenen Symptome nicht dem Modell entsprechen.

Jeder Siebte erfüllt die Kriterien einer Depression

 

Mehr als jeder siebte Erwachsene erfüllt mindestens einmal im Leben die diagnostischen Kriterien einer Depression1. Umso größer ist das Interesse an Erklärungsmodellen rund um die Erkrankung. Betroffene nutzen diese, um ihre Krankheit besser zu verstehen. Leider sind solche Modelle nicht immer das Ergebnis evidenzbasierter Wissenschaft. Das zeigt auch ein aktuell sehr beliebtes Modell: „Die 5 Phasen der Depression“. Nachfolgend wird erklärt, worum es dabei geht und welche Schwierigkeiten das Phasenmodell aufweist.

Was sind Symptome einer Depression?

 

Die Symptome einer Depression werden normalerweise in zwei Kategorien unterteilt: Haupt- und Zusatzsymptome. Um die Störung zu diagnostizieren, müssen entsprechende Symptome aus beiden Kategorien über einen Zeitraum von mehr als zwei Wochen bestehen.

Was ist das 5 Phasen Modell der Depression?

 

Das Modell der 5 Phasen der Depression soll eine vereinfachte Darstellung des typischen Verlaufs dieser Erkrankung bzw. während einer depressiven Episode darstellen. Es ist angelehnt an das Modell „5 Phasen der Trauer“, dass in den 1960er Jahren von Elisabeth Kübler-Ross vorgestellt wurde. Nachfolgend werden die vom Modell postulierten Phasen der Depression dargestellt.

Warum wird das Modell der 5 Phasen der Depression kritisiert?

Das Modell der 5 Phasen der Depression basiert nicht auf wissenschaftlicher Evidenz. Das bedeutet, dass es keine Studien gibt, die belegen, dass das Modell korrekt ist. Im Gegenteil: Bisherige Studien zeigen, dass Form und Verlauf einer depressiven Erkrankung von Mensch zu Mensch sehr unterschiedlich sein können. Es gibt also keine Phasen oder Stufen der Depression, die nacheinander durchlaufen werden.

Verlauf bei depressiven Erkrankungen immer individuell

 

Allein die lange Liste an Haupt- und Zusatzsymptomen zeigt, wie viele verschiedene Ausprägungen eine Depression haben kann. Während Patient A vor allem unter Freudlosigkeit, Konzentrationsstörungen und Schuldgefühlen leidet, machen Person B vorrangig Antriebslosigkeit, ständige Kopfschmerzen, Schlafstörungen und der anhaltende Appetitmangel Schwierigkeiten. Welche Symptome zuerst auftreten, mit welchen Beschwerden sie gekoppelt sind und wie lange sie anhalten, lässt sich (bislang) nicht vorhersagen.

Symptome halten unterschiedlich lange an

 

Manche Menschen leiden unter wiederkehrenden depressiven Episoden. Bei ihnen treten die Symptome auf, halten eine Zeitlang an und verschwinden dann auch wieder (bei entsprechender Behandlung). Für sie gibt es also immer wieder symptomfreie Zeiten, ohne psychische oder körperliche Symptome. Das Modell der 5 Phasen der Depression suggeriert jedoch, dass die depressive Symptomatik immer in eine Abwärtsspirale von negativen Gedankenmustern hin zu Suizidgedanken führt.

Vereinfachung eines komplexen Krankheitsbildes

 

Die Stufen bzw. Phasen des Depressionsmodells stellen ein sehr komplexes Krankheitsbild stark vereinfacht dar. Das kann bei Betroffenen oder Angehörigen einen falschen Eindruck erwecken: Wenn man selbst nicht in das vom Modell suggerierte Bild passt, kann es zu Fehleinschätzungen der eigenen Krankheit und damit zum Ausbleiben oder verzögerten Einsetzen einer Behandlung kommen.

Hilfe bei Depressionen finden

 

Menschen mit depressiven Beschwerden sollten sich schnellstmöglich professionelle Hilfe suchen. Denn, obwohl das Modell der 5 Phasen der Depression aus wissenschaftlicher Sicht viele Schwächen hat, zeigt es, wie dramatisch die Situation für depressive Menschen sein kann. Eine adäquate Behandlung, bestehend aus Psychotherapie und ggf. Medikamenten, kann Patienten helfen. Wichtig ist, sich rechtzeitig Hilfe zu holen. Ansprechpartner sind z. B.:

Hausarzt

Psychologischer Psychotherapeut

Beratungsstellen

Krisendienste

Psychiatrische Kliniken

Häufige Fragen zum Thema „5 Phasen der Depression“

 

Depressive Erkrankungen können verschiedene Ursachen haben. In der Regel sind psychosoziale und neurobiologische Aspekte an der Entstehung beteiligt. Einen Einfluss haben nicht nur Stress und Traumata, sondern auch die Einnahme bestimmter Medikamente. Für eine adäquate Behandlung ist es daher wichtig, mögliche Ursachen der Krankheit sowie Resilienz fördernde Faktoren zu identifizieren.

 

Depressive Beschwerden sind in den Morgenstunden sowie am Vormittag meist deutlich stärker ausgeprägt als in den Nachmittags- und Abendstunden. Man spricht in diesem Zusammenhang auch vom Morgentief. Doch auch hier gibt es Abweichungen: Nicht alle Betroffenen fühlen sich abends besser als morgens.

 

Die affektive Störung Depression lässt sich am besten im Rahmen einer Psychotherapie behandeln. Die Wirksamkeit ist für verschiedene psychotherapeutische Verfahren belegt4, z. B. für die kognitive Verhaltenstherapie (KVT). Sie zielt darauf ab, negative Denkmuster und Verhaltensweisen zu erkennen und zu verändern. Eine weitere, häufig eingesetzte Therapieform ist die tiefenpsychologisch fundierte Therapie. Sie fokussiert auf unbewusste Konflikte und vergangene Erfahrungen. Ziel ist es, durch das Verarbeiten und Verstehen des Erlebten langfristige Veränderungen und Symptomlinderung zu erreichen​. Auch die systemische Therapie ist wirksam und jüngst in den Katalog der krankenkassenfinanzierten Therapien aufgenommen worden. Diese Therapieform nimmt neben den individuellen Problemen auch die Beziehungen und Interaktionen innerhalb des sozialen Umfelds, z. B. Familie, Freundeskreis und Arbeit in den Blick. Überdies können integrative Ansätze hilfreich sein, die nicht nur auf eine einzelne Methode fokussieren. Eine medikamentöse Behandlung kann, je nach Schwere der depressiven Erkrankung, begleitend erfolgen.

1 Robert Koch-Institut (Hrsg) (2021). „PSYCHISCHE GESUNDHEIT IN DEUTSCHLAND. Erkennen -Bewerten – Handeln.“ Schwerpunktbericht Teil 1 – Erwachsene Gesundheitsberichterstattung des Bundes. Gemeinsam getragen von RKI und Destatis. RKI, Berlin, S. 10 ISBN: 978-3-89606-312-0 DOI: 10.25646/8831, https://www.rki.de/DE/Content/GesundAZ/P/Psychische_Gesundheit/EBH_Bericht_Psyschiche_Gesundheit.pdf?__blob=publicationFile (Datum des Zugriffs: 01.07.2024)

 

2 Brieger P., Menzel S., Hamann J. „Wird die Rolle von psychischen Erkrankungen beim Suizid überbewertet?“ [Is the role of mental illness in suicide overestimated?]. Bundesgesundheitsblatt Gesundheitsforschung Gesundheitsschutz. 2022 Jan;65(1):25-29. German. doi: 10.1007/s00103-021-03464-0. Epub 2021 Dec 7. PMID: 34874477; PMCID: PMC8650731, https://www.ncbi.nlm.nih.gov/pmc/articles/PMC8650731/ (Datum des Zugriffs: 01.07.2024)

 

3 Lorenz N., Sander C., Ivanova G, Hegerl U. “Temporal Associations of Daily Changes in Sleep and Depression Core Symptoms in Patients Suffering From Major Depressive Disorder: Idiographic Time-Series Analysis”, JMIR Ment Health 2020;7(4):e17071, doi: 10.2196/17071, PMID: 32324147, PMCID: 7206522https://mental.jmir.org/2020/4/e17071/ (Datum des Zugriffs: 01.07.2024)

 

4 Bundesärztekammer und Kassenärztlicher Bundesvereinigung. patienten-information.de. „Depression: Psychotherapie – Welche Verfahren gibt es?“ https://www.patienten-information.de/patientenblaetter/depression-psychotherapieverfahren (Datum des Zugriffs: 01.07.2024)

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