kPTBS

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Aktualisiert am 17. Juni 2025

 

 

Wichtiges im Überblick

  • Die komplexe posttraumatische Belastungsstörung (kPTBS) ist seit der Einführung der ICD-11, der internationalen Klassifikation der Krankheiten der Weltgesundheitsorganisation (WHO), als eigene Erkrankung anerkannt.
  • Sie kann durch schwere und wiederholte traumatische Erfahrungen, etwa durch Gewalt, Missbrauch oder Folter, entstehen.
  • Neben den typischen Symptomen einer posttraumatischen Belastungsstörung (z.  Flashbacks, Vermeidung, Übererregung) sind bei der kPTBS zusätzlich Störungen der Emotionsregulation, ein negatives Selbstbild sowie erhebliche zwischenmenschliche Schwierigkeiten charakteristisch.
  • Betroffene berichten häufig von eingeschränkter Lebensqualität und einem erhöhten Risiko für Folgeerkrankungen wie Depressionen, Angststörungen oder Substanzmissbrauch.
  • Die Behandlung erfolgt meist psychotherapeutisch, zum Beispiel mit traumafokussierter kognitiver Verhaltenstherapie oder EMDR. Medikamente können unterstützend helfen.

Trauma – eine kurze Definition

Ein traumatisches Erlebnis ist durch eine Bedrohung von Leib und Leben gekennzeichnet. Bewältigungsversuche wie Flucht oder Kampf sind nicht möglich oder scheitern. Das Ereignis geht mit intensiven Gefühlen von Hilflosigkeit, Ohnmacht und Kontrollverlust einher.

Komplexe Traumata führen zu komplexen Belastungen

Erlebnisse, wie ein schwerer Unfall, ein Überfall, Kriegserlebnisse, körperliche oder sexuelle Gewalt, aber auch Naturkatastrophen und lebensbedrohliche Krankheiten, können Menschen so stark erschüttern, dass sie Symptome wie Flashbacks, Schlafstörungen und ständige innere Anspannung entwickeln – klassische Anzeichen einer posttraumatischen Belastungsstörung (PTBS).

Halten belastende Erfahrungen über längere Zeit an oder wiederholen sich immer wieder, können die seelischen Folgen noch gravierender sein. Dann kann sich eine komplexe PTBS (kPTBS) entwickeln – mit schwerwiegenden Beeinträchtigungen des Selbstwertgefühls, der Gefühlsregulation und zwischenmenschlicher Beziehungen.

Was ist der Unterschied zwischen kPTBS und PTBS?

Eine PTBS kann nach einem einmaligen oder sich wiederholenden traumatischen Ereignis auftreten. Eine kPTBS kann sich nach anhaltenden und wiederholenden Traumata entwickeln – im Unterschied zur PTBS muss die Symptomatik seit mindestens zwei Jahren bestehen. Neben den klassischen Symptomen der PTBS treten zusätzliche Beschwerden auf, die das Selbstbild, die Gefühlskontrolle und Beziehungen zu anderen Menschen betreffen. Patienten mit kPTBS leiden oft stärker unter der Erkrankung als Betroffene mit einer PTBS.1

Wer ist von einer komplexen posttraumatischen Belastungsstörung betroffen?

Eine komplexe posttraumatische Belastungsstörung (kPTBS) kann Menschen in jedem Alter betreffen – sowohl Kinder und Jugendliche als auch Erwachsene. Besonders gefährdet sind Personen, die wiederholte oder anhaltende traumatische Erfahrungen gemacht haben, etwa durch körperliche oder sexualisierte Gewalt, emotionale Vernachlässigung oder psychischen Missbrauch.

Welche Ursachen hat eine kPTBS?

Die komplexe PTBS entsteht in der Regel durch lang andauernde oder sich wiederholende traumatische Erfahrungen, bei denen Menschen sich hilflos, ausgeliefert oder dauerhaft bedroht fühlen. Fachleute unterscheiden dabei zwischen sogenannten akzidentiellen Traumata, also unvorhersehbaren Ereignissen wie Naturkatastrophen, und interpersonellen Traumata, die gezielt durch andere Menschen verursacht werden.

Während einmalige, unvorhersehbare Ereignisse häufiger mit der klassischen PTBS in Verbindung stehen, ist die kPTBS meist die Folge von zwischenmenschlicher, oft wiederholter Gewalt oder Vernachlässigung – besonders dann, wenn sie in einem Abhängigkeitsverhältnis passiert, etwa in der Kindheit oder in Partnerschaften.

Interpersonelle Traumata, die zu einer kPTBS führen können (Beispiele)

  • körperliche oder sexualisierte Gewalt im Kindes- oder Erwachsenenalter
  • emotionale Vernachlässigung in der Kindheit
  • Gewalt in engen Beziehungen (z.  häusliche Gewalt)
  • Krieg, Folter, politische Inhaftierung
  • Entführung, Geiselnahme

Akzidentelle Traumata (seltener Ursache von kPTBS)

  • schwere Naturkatastrophen (z.  Vulkanausbruch, Erdbeben, Überschwemmung)
  • Verkehrsunfälle, medizinische Notfälle (insbesondere bei Kindern ggf. in Kombination mit anderen Risikofaktoren)

Wie wird eine kPTBS diagnostiziert?

Die Diagnosestellung erfolgt klinisch, also im Arzt-Patienten-Gespräch. In diesem werden traumatische Erlebnisse und Situationen in der Vergangenheit sowie aktuelle Symptome abgefragt. Häufig werden ergänzend standardisierte Fragebögen eingesetzt, um die Symptomatik besser einordnen zu können.

Eine genaue Diagnosestellung ist für den Therapieerfolg entscheidend – insbesondere, weil viele Betroffene zusätzlich unter anderen psychischen Erkrankungen (Komorbiditäten) leiden, etwa Depressionen, Ängsten oder Suchtproblemen, die in der Behandlung berücksichtigt werden müssen.

Diagnostische Kriterien einer kPTBS

Laut ICD-11 muss für die Diagnose einer kPTBS zunächst eine klassische PTBS vorliegen – das heißt, pro Punkt muss mindestens eines der Symptome a) oder b) vorliegen:2

Wie wird kPTBS behandelt?

Die Behandlung der komplexen posttraumatischen Belastungsstörung (kPTBS) erfolgt in der Regel psychotherapeutisch. Dabei kommen spezialisierte traumafokussierte Verfahren zum Einsatz und ergänzend stabilisierende und beziehungsorientierte Techniken. Da es noch keine eigenständige Behandlungsleitlinie für kPTBS gibt, orientieren sich Therapeuten an der S3-Leitlinie der Posttraumatischen Belastungsstörung (PTBS), internationalen Empfehlungen, z. B. der International Society for Traumatic Stress Studies (ISTSS), und evidenzbasierten Ansätzen.

Psychotherapie

Ziel der psychotherapeutischen Behandlung von Patienten mit kPTBS ist es, die Affektregulation, das Selbstwertgefühl und die Beziehungsfähigkeit zu verbessern. Die Behandlung erfolgt in der Regel mit Verfahren der kognitiven Verhaltenstherapie oder psychodynamischen Therapie, die für Menschen mit komplexen Traumatisierungen entwickelt wurden. Studien zeigen, dass traumafokussierte Behandlungen die Symptome einer komplexen Posttraumatischen Belastungsstörung signifikant reduzieren können.4, 5

  • STAIR-NT (Skills Training in Affective and Interpersonal Regulation – Narrative Therapy)
    Phasenorientiertes Verfahren mit Fokus auf Emotions- und Beziehungskompetenz, gefolgt von narrativer Traumaexposition.
  • DBT-PTSD (Dialektisch-Behaviorale Therapie für komplexe PTSD)
    Kombination aus Emotionsregulation, achtsamkeitsbasierten Techniken und traumafokussierter Exposition, speziell für Patienten mit kPTBS und Borderline-Symptomatik.
  • EMDR (Eye Movement Desensitization and Reprocessing)
    Angepasste Vorgehensweisen ermöglichen auch bei kPTBS eine Traumaverarbeitung, vorausgesetzt, eine ausreichende Stabilisierung ist erfolgt.
  • Intensive traumafokussierte Behandlungen
    Hochfrequente Expositionstherapien, teilweise im stationären Setting, z.  mit Imagery Rescripting oder Prolonged Exposure.

Medikamente

Medikamente werden bei einer komplexen posttraumatischen Belastungsstörung vornehmlich als Ergänzung zur Psychotherapie eingesetzt. Studien gibt es bislang vor allem bei der Behandlung der klassischen PTBS. Hier haben sich insbesondere Antidepressiva (Selektive Serotonin-Wiederaufnahmehemmer) bewährt. Teilweise können auch Antipsychotika und Schlafmittel eingesetzt werden.

Alternativen

Stressbewältigungsstrategien wie achtsamkeitsbasierte Verfahren, z. B. Mindfulness-Based Stress Reduction (MBSR), können bei Patienten mit posttraumatischer Belastungsstörung (PTBS) unterstützend zur Psychotherapie eingesetzt werden. Studien zeigen, dass MBSR typische Symptome reduzieren kann.6 Für die komplexe posttraumatische Belastungsstörung (kPTBS) ist die Studienlange bislang noch begrenzt.

kPTBS: Tipps für den Alltag

Neben einer gezielten psychotherapeutischen Behandlung können bestimmte Verhaltensweisen im Alltag dabei unterstützen, Symptome besser zu bewältigen und das Gefühl von Selbstwirksamkeit zu stärken.

  • Einen verlässlichen Tagesrhythmus entwickeln
    Ein strukturierter Tagesablauf vermittelt Vorhersehbarkeit, reduziert Stress und stärkt das Gefühl von Kontrolle – ein zentraler Aspekt bei kPTBS.
  • Gesunde Lebensweise fördern
    Ausgewogene Ernährung, regelmäßiger Schlaf und Bewegung unterstützen nicht nur die körperliche Gesundheit, sondern auch die emotionale Stabilität. Auf Alkohol und Drogen sollte verzichtet werden, da sie Symptome wie Dissoziation, Schlafprobleme oder Affektdysregulation verstärken können.
  • Vertraute und sinnstiftende Aktivitäten nutzen
    Hobbys oder Routinetätigkeiten können helfen, das emotionale Gleichgewicht zu stabilisieren und bieten kurzfristig Ablenkung bei innerer Anspannung. Auch kreative oder körperliche Tätigkeiten (z.  Malen, Gartenarbeit, Spaziergänge) können regulierend wirken.
  • Soziale Kontakte stärken
    Beziehungen zu vertrauten Personen vermitteln Sicherheit, Rückhalt und Zugehörigkeit – Faktoren, die insbesondere bei kPTBS wichtig sind, da Bindung und Vertrauen häufig beeinträchtigt sind. Kleine, verlässliche Kontakte sind oft hilfreicher als große soziale Gruppen.

Was sind mögliche langfristige Folgen einer komplexen posttraumatischen Belastungsstörungen?

Wird die komplexe posttraumatische Belastungsstörung (kPTBS) nicht behandelt, kann sie chronisch werden. Dann überdauern Symptome wie emotionale Instabilität, negatives Selbstbild, Schwierigkeiten in der Beziehungsgestaltung, sozialer Rückzug und berufliche Beeinträchtigung. Überdies steigt das Risiko für weitere psychische Erkrankungen wie:

  • Depressionen
  • Angststörungen (z.  generalisierte Angststörung, Panikstörung)
  • Substanzmissbrauch oder Abhängigkeit (z.  Alkohol, Beruhigungsmittel)
  • Dissoziative Störungen (z.  Depersonalisation, Amnesie)
  • Somatoforme Störungen bzw. funktionelle Körperbeschwerden

Eine frühzeitige Diagnose und eine auf kPTBS abgestimmte psychotherapeutische Behandlung sind von zentraler Bedeutung, um die Entwicklung einer chronifizierten, komplexen posttraumatischen Belastungsstörung zu vermeiden.

Hilfe bei kPTBS finden

Traumafolgestörungen allein zu bewältigen, ist meist nicht leicht. Vor allem, wenn das Störungsbild so komplex ist wie bei der kPTBS. Doch es gibt zahlreiche Anlaufstellen mit Hilfsangeboten:

Hausärztin oder Hausarzt
Oft erster Ansprechpartner zur Einschätzung der Beschwerden und für Überweisungen zu Fachstellen.

Traumaambulanzen

Psychiatrische Notfallambulanzen

Häufige Fragen zum Thema „kPTBS“

Die komplexe posttraumatische Belastungsstörung ist behandelbar – auch wenn der Heilungsweg oft lang ist. Eine spezialisierte, traumaspezifische Psychotherapie kann die Symptome deutlich lindern und die Lebensqualität erheblich verbessern.

Eine pauschale Aussage zur Therapiedauer ist nicht möglich, da sie stark vom Einzelfall abhängt. Eine Behandlung kann sich über mehrere Monate oder Jahre erstrecken. Einflussfaktoren sind unter anderem:

  • die Schwere und Dauer der Traumatisierungen,
  • das Vorhandensein von Komorbiditäten (z.  Depression, Sucht),
  • die Stabilität des sozialen Umfelds,
  • die individuelle Therapiefähigkeit und -motivation.

Grundsätzlich kann eine kPTBS ambulant behandelt werden. Eine stationäre oder teilstationäre Therapie kann sinnvoll sein, wenn:

  • die Symptome sehr stark ausgeprägt sind,
  • es zu Dissoziationen oder Selbstverletzungen kommt,
  • Suizidgedanken oder -handlungen bestehen,
  • wenn ambulante Angebote nicht ausreichen oder fehlen.

1 Cloitre M, Hyland P, Bisson JI, Brewin CR, Roberts NP, Karatzias T, Shevlin M. ICD-11 Posttraumatic Stress Disorder and Complex Posttraumatic Stress Disorder in the United States: A Population-Based Study. J Trauma Stress. 2019 Dec;32(6):833-842. doi: 10.1002/jts.22454. Epub 2019 Dec 4. PMID: 31800131, https://pubmed.ncbi.nlm.nih.gov/31800131/ (Datum des Zugriffs: 17.03.2025)

2 R. Eilers and R. Rosner, “Die einfache und komplexe Posttraumatische Belastungsstörung in der Praxis: Eine Übersicht und Einordnung der neuen ICD-11 Kriterien in Bezug auf Kinder und Jugendliche,” Kindheit und Entwicklung, vol. 30, no. 3, pp. 144–153, Jul. 2021, doi: 10.1026/0942-5403/a000342, https://econtent.hogrefe.com/doi/10.1026/0942-5403/a000342 (Datum des Zugriffs: 08.05.2025)

3 Psychologisches Institut Universität Zürich: „ITQ-Fragebogen. International Trauma Questionnaire – deutsche Version“, https://www.psychologie.uzh.ch/dam/jcr:ad66be44-4cd9-44c3-9911-488253de04cc/ITQ-Fragebogen.pdf (Datum des Zugriffs: 08.05.2025)

4 Voorendonk EM, De Jongh A, Rozendaal L, Van Minnen A. Trauma-focused treatment outcome for complex PTSD patients: results of an intensive treatment programme. Eur J Psychotraumatol. 2020 Jul 23;11(1):1783955. doi: 10.1080/20008198.2020.1783955. PMID: 33029323; PMCID: PMC7473266, https://pmc.ncbi.nlm.nih.gov/articles/PMC7473266/ (Datum des Zugriffs: 08.05.2025)

5 Melegkovits E, Blumberg J, Dixon E, Ehntholt K, Gillard J, Kayal H, Kember T, Ottisova L, Walsh E, Wood M, Gafoor R, Brewin C, Billings J, Robertson M, Bloomfield M. The effectiveness of trauma-focused psychotherapy for complex post-traumatic stress disorder: A retrospective study. Eur Psychiatry. 2022 Nov 25;66(1):e4. doi: 10.1192/j.eurpsy.2022.2346. PMID: 36423898; PMCID: PMC9879871, https://pmc.ncbi.nlm.nih.gov/articles/PMC9879871/ (Datum des Zugriffs: 08.05.2025)

6 Liu Q, Zhu J, Zhang W. The efficacy of mindfulness-based stress reduction intervention 3 for post-traumatic stress disorder (PTSD) symptoms in patients with PTSD: A meta-analysis of four randomized controlled trials. Stress Health. 2022 Oct;38(4):626-636. doi: 10.1002/smi.3138. Epub 2022 Mar 9. PMID: 35253353, https://pubmed.ncbi.nlm.nih.gov/35253353/ (Datum des Zugriffs: 08.05.2025)

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