ADHS Erwachsene Behandlung

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Aktualisiert am 20. Dezember 2024

 

  • ADHS im Erwachsenenalter lässt sich nicht heilen, aber gut behandeln.
  • Eine möglichst frühzeitige Diagnose ist wichtig.
  • Als wirksam hat sich eine multimodale Therapie mit Psychotherapie und Medikamenten erwiesen.
  • Auch Psychoedukation, Coachings, Neurofeedback und Entspannungstrainings können unterstützen.
  • Behandlung von ADHS bei Erwachsenen erfolgt durch Psychiater oder Psychotherapeuten.
  • Hilfsangebote findet man ambulant wie auch stationär.

Erwachsenen-ADHS kann Lebensqualität beeinträchtigen

 

Die Symptome der ADHS können das Leben Betroffener stark einschränken, wobei das Ausmaß individuell unterschiedlich stark ausgeprägt sein kann. Die Probleme reichen von Konzentrationsstörungen, Unaufmerksamkeit und erhöhter Ablenkbarkeit über innere Unruhe bis hin zu einer erhöhten Impulsivität. Sogar die Ausbildung psychischer Begleiterkrankungen wie Depressionen, Sucht, Angststörungen uvm. ist möglich. Insofern ist eine Diagnostik und eine adäquate Therapie der ADHS nicht nur bei Kindern, sondern auch bei Erwachsenen wichtig. Besonders wirkungsvoll hat sich eine multimodale Therapie mit Medikamenten und Psychotherapie erwiesen1.

Wie häufig tritt ADHS im Erwachsenenalter auf?

 

Viele Jahre galt die Aufmerksamkeitsdefizit- und Hyperaktivitätsstörung ausschließlich als psychische Erkrankung bei Kindern und Jugendlichen. Mittlerweile weiß man, dass viele Symptome (in leicht veränderter Form) auch im Erwachsenenalter bestehen bleiben können. Eine genaue Aussage zur Häufigkeit der ADHS bei Erwachsenen ist derzeit nur schwer möglich und man geht von einer hohen Dunkelziffer aus. Grund ist, dass Menschen, die in der Kindheit oder als Jugendliche nicht diagnostiziert wurden, ihre Beschwerden in der Regel nicht auf eine mögliche ADHS zurückführen. Aktuelle Studien gehen von einer Prävalenzrate von rund 3 % aus2.

Wie wird ADHS bei Erwachsenen behandelt?

 

Für ADHS bei Erwachsenen hat sich als Behandlung eine multimodale Therapie aus den beiden Bestandteilen Medikation und Psychotherapie bewährt. Studien zeigen, dass vor allem die Gabe von Medikamenten zu einer signifikanten Besserung beitragen kann3. Doch auch die psychotherapeutische Betreuung in Form von Einzel- und Gruppentherapie ist sinnvoll, da Betroffene hier (im Austausch mit anderen) lernen, ihr Verhalten neu zu strukturieren.

Wie wirken ADHS-Medikamente bei Erwachsenen?

 

Die ersten Medikamente zur Behandlung von ADHS bei Erwachsenen wurden in Deutschland im Jahr 2011 zugelassen. Seitdem wächst auch die Anzahl der Studien zur Wirksamkeit und Langzeiteffekten. Wir listen an dieser Stelle nur diejenigen Medikamente auf, die am häufigsten verordnet werden.

Was sind psychotherapeutische Verfahren zur ADHS-Behandlung von Erwachsenen?

 

Eine psychotherapeutische Behandlung kann, je nach Schwere der Symptomatik, ausschließlich oder in Kombination mit einer medikamentösen Therapie eingesetzt werden. Erwachsene lernen während der therapeutischen Behandlung, die Symptome ihrer Erkrankung einzuordnen und alternative Verhaltensstrategien zu entwickeln. Parallel können auch Komorbiditäten wie Depressionen, Angststörungen oder Suchterkrankungen behandelt werden.

Psychoedukation

Bei erwachsenen Menschen mit ADHS hat die Psychoedukation in der Behandlung einen wichtigen Stellenwert. Hier lernen Betroffene, wie ihr Hirn tickt, warum die Neurodiversität ADHS Probleme in der Reiz- und Informationsverarbeitung sowie bei der Konzentration und Organisation mit sich bringt und warum Betroffene Schwierigkeiten mit der Regulierung ihrer Emotionen haben können. Das Wissen hilft Menschen mit ADHS, sich weniger macht- und hilflos zu fühlen.

Kognitive Verhaltenstherapie

Die kognitive Verhaltenstherapie zielt in erster Linie darauf ab, ungünstige Verhaltens-, Überzeugungs- und Denkmuster zu identifizieren und diese durch Alternativen zu ersetzen. Diese Verhaltensalternativen werden anschließend trainiert. Ziel ist es, dass Betroffene Strategien und Fähigkeiten entwickeln, um typische ADHS-Probleme im Alltag selbst zu lösen bzw. gar nicht erst aufkommen zu lassen.

Neurofeedback

Neurofeedback ist eine wissenschaftlich anerkannte Methode zur Verbesserung der Selbststeuerung, die auch nach Beendigung der Therapie noch Effekte zeigt. Bei diesem Verfahren werden verschiedene elektrische Gehirnfrequenzen gemessen und mittels softwaregestützter Übungen durch den Patienten beeinflusst. Patienten lernen quasi, ihr Gehirn anders zu benutzten. Bisher wird Neurofeedback nicht von den Krankenkassen bezahlt, kann aber als Form der Ergotherapie übernommen werden.

Gibt es weitere ADHS-Therapien für Erwachsene?

 

Coachings können den Therapieerfolg bei Erwachsenen mit Aufmerksamkeitsdefizit- und Hyperaktivitätsstörung unterstützen. Coaching nimmt die Wünsche und Bedürfnisse von Betroffenen auf: Zunächst wird der Ist-Zustand analysiert, danach werden Ziele formuliert sowie Strategien entwickelt und eingeübt, um diese zu erreichen. Weitere sinnvolle Bausteine einer komplexen Therapie können Entspannungstrainings sowie Sport- und Kreativtherapie sein.

Welche Folgen hat eine unbehandelte ADHS im Erwachsenenalter?

 

Untersuchungen zufolge leiden bis zu 70 Prozent aller Erwachsenen mit ADHS zusätzlich an einer komorbiden psychiatrischen Störung6. Neben Angststörungen, Depressionen und Persönlichkeitsstörungen kommen vermehrt Substanzmissbrauch bzw. Substanzkonsumstörungen vor. Darüber hinaus leiden Betroffene oft unter einer verringerten Lebensqualität, beruflichen und sozialen Problemen.

Inwiefern hilft die ADHS-Therapie bei der Alltagsbewältigung?

 

Insbesondere Psychotherapie, Coachings und Entspannungstrainings zielen auf eine Umsetzung im Alltag ab. Hierbei werden individuelle Strategien für den Patienten entwickelt. Wichtig ist es für Betroffene, das in der Therapie Erlernte regelmäßig im Alltag anzuwenden und dem Therapeuten Rückmeldung zu geben, was gut funktioniert und wo noch Schwierigkeiten bestehen. Kontraproduktiv sind Gefühle der Überforderung.

Welche Kosten sind mit der Behandlung von ADHS verbunden?

 

Ambulante Maßnahmen, z. B. Kosten für Psychotherapie, Medikamente und Ergotherapie werden von den Krankenkassen ebenso übernommen wie erforderliche stationäre Maßnahmen. Menschen mit der Diagnose ADHS müssen sich also keine Sorgen um eine Kostenübernahme machen. Berufliche Coachings werden nicht von den Krankenkassen bezuschusst, allerdings gibt es Fördermöglichkeiten der Bundesagentur für Arbeit zur beruflichen Eingliederung.

Wo finden Erwachsene mit ADHS Hilfe?

Für viele Erwachsene ist der erste Schritt auf dem Weg zu einer adäquaten Behandlung eine korrekte Diagnose, sofern diese nicht schon im Kindes- bzw. Jugendalter erfolgt ist. Neben dem eigenen Hausarzt gibt es verschiedene Anlaufstellen, bei denen Betroffene Hilfe erhalten können:

Psychologische Psychotherapeuten

Fachärzte für Psychiatrie, Neurologie und psychosomatische Medizin

Selbsthilfegruppen bzw. Online-Selbsthilfegruppen

Telefonberatung des ADHS Deutschland e. V.

Verschiedene Vereine für Betroffene und Angehörige

Bei Suchterkrankungen: Spezialisierte Kliniken für ADHS und Sucht

 

Was kann man selbst tun?

Feste Strukturen und To-Do-Listen können ADHS-Betroffenen dabei helfen, ihren Alltag zu meistern. Wer allerdings merkt, dass er im privaten und beruflichen Umfeld zunehmend Schwierigkeiten hat, die Anforderungen zu bewältigen, wenn Desorganisation und Unruhe zur Belastung werden oder wenn Konflikte eher die Regel als die Ausnahme sind, sollte man sich auf jeden Fall Hilfe holen. Gleiches gilt, wenn sich Symptome für psychische Erkrankungen wie Depressionen, Ängste und Sucht zeigen. ADHS kann behandelt werden und so (wieder) zu mehr Lebensqualität führen.

Häufige Fragen zum Thema „ADHS Erwachsene Behandlung“

 

Die Aufmerksamkeitsdefizit- und Hyperaktivitätsstörung ist bislang nicht heilbar. Erwachsene können aber lernen, mit den Symptomen zu leben bzw. diese mit einer medikamentösen Therapie und Psychotherapie zu reduzieren. Eine möglichst frühzeitige Behandlung der Störung ist ratsam, damit sich negative Folgen der Erkrankung gar nicht erst manifestieren.

 

Viele ADHS-Patienten profitieren von der Gabe von Medikamenten, weil diese die Symptome signifikant lindern können. Sie gehen jedoch auch mit Nebenwirkungen einher, die manche Erwachsene nicht in Kauf nehmen möchten. Je nach Schwere der Symptomatik können Psychotherapie, Psychoedukation, Coachings und Entspannungsübungen sowie Sport- und Kreativtherapie Beschwerden lindern.

 

Entgegen früherer Annahmen ist das Missbrauchspotenzial von MPH gering. Es besteht aber ein gewisses Risiko, dass die Dosis eigenmächtig erhöht wird, wenn Suchttendenzen bestehen, da suchtgefährdete Menschen bzw. Betroffene mit einer Abhängigkeitserkrankung in der Regel davon ausgehen, dass höhere Dosierungen automatisch mit einer stärkeren Wirkung einhergehen7,8.

 

Eine rechtzeitig einsetzende individuelle Therapie kann das Risiko für Begleiterkrankungen mindern. Wichtig ist in jedem Fall eine Differenzialdiagnostik, um zu erkennen, ob bspw. Depressionen als eigenständige psychische Erkrankung vorliegen oder nur eine Folge der ADHS sind oder z. B. eine Suchterkrankung als Versuch einer „Selbstmedikation“ von ADHS-Symptomen zu werten ist. In jedem Fall ist es wichtig, die zugrundeliegende Ursache herauszufinden. Dies kann eben auch eine mögliche Neurodivergenz sein.

1 Vetter, Christine „ADHS bei Erwachsenen: Multimodale Therapie wirkt“, In: Dtsch Arztebl 2020; 117(51-52): A-2523, https://www.aerzteblatt.de/archiv/217204/ADHS-bei-Erwachsenen-Multimodale-Therapie-wirkt (Letzter Zugriff: 12.08.24)

 

2 Ayano, Getinet et al. „Prevalence of attention deficit hyperactivity disorder in adults: Umbrella review of evidence generated across the globe”, In: Psychiatry Research, Volume 328, Oktober 2023, 115449, https://doi.org/10.1016/j.psychres.2023.115449https://www.sciencedirect.com/science/article/pii/S0165178123003992 (Letzter Zugriff: 12.08.24)

 

3 Philipsen A, Jans T, Graf E, Matthies S, Borel P, Colla M, Gentschow L, Langner D, Jacob C, Groß-Lesch S, Sobanski E, Alm B, Schumacher-Stien M, Roesler M, Retz W, Retz-Junginger P, Kis B, Abdel-Hamid M, Heinrich V, Huss M, Kornmann C, Bürger A, Perlov E, Ihorst G, Schlander M, Berger M, Tebartz van Elst L; Comparison of Methylphenidate and Psychotherapy in Adult ADHD Study (COMPAS) Consortium. „Effects of Group Psychotherapy, Individual Counseling, Methylphenidate, and Placebo in the Treatment of Adult Attention-Deficit/Hyperactivity Disorder: A Randomized Clinical Trial”. JAMA Psychiatry. 2015 Dec;72(12):1199-210. doi: 10.1001/jamapsychiatry.2015.2146. Erratum in: JAMA Psychiatry. 2016 Jan;73(1):90. doi: 10.1001/jamapsychiatry.2015.2803. PMID: 26536057, https://pubmed.ncbi.nlm.nih.gov/26536057/ (Letzter Zugriff: 12.08.24)

 

4 ADxS e.V.: „Amphetaminmedikamente (AMP) bei ADHS“, https://www.adxs.org/de/page/188/amphetaminmedikamente-amp-bei-adhs (Letzter Zugriff: 12.08.24)

 

5 ADxS e.V.: „Atomoxetin bei ADHS“, https://www.adxs.org/de/page/190/atomoxetin-bei-adhs (Letzter Zugriff: 12.08.24)

 

6 Paucke, M. et al. „ADHS im Erwachsenenalter und psychiatrische Komorbiditäten“, In: Die Psychiatrie 2017, 14(04), S. 250-256, DOI: 10.1055/s-0038-1669704, https://www.thieme-connect.com/products/ejournals/abstract/10.1055/s-0038-1669704 (Datum des Zugriffs: 12.08.2024)

 

7 Praxis Suchtmedizin Schweiz: „Missbrauch“, Stand: 16.05.2023, https://www.praxis-suchtmedizin.ch/index.php/de/medikamente/methylphenidat/missbrauch (Letzter Zugriff: 12.08.24)

 

8 ADxS e.V.: „MPH Teil 1: Wirkstoffe, Wirkung, Responding“, https://www.adxs.org/de/page/184/mph-teil-1-wirkstoffe-wirkung-responding (Letzter Zugriff: 12.08.24)

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