Bipolare Störung

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Aktualisiert am 12. Juni 2025

 

 

Das Thema im Überblick

  • Die bipolare Störung ist eine affektive Störung, die früher als manisch-depressive Erkrankung bezeichnet wurde.
  • Charakteristisch sind wechselnde Krankheitsepisoden mit (andauernder) Manie, Hypomanie oder Depression.
  • Für Betroffene und Angehörige ist die Erkrankung sehr belastend und es besteht ein erhöhtes Suizidrisiko.
  • Eine Behandlung dient der Akutversorgung, aber auch der langfristigen Stabilisierung und Rückfallprophylaxe.
  • Medikamentöse Therapie und Psychotherapie haben sich bei bipolarer Störung bewährt.

Ein Leben mit Extremen – die bipolare Störung

Stimmungsschwankungen gehören zum Alltag. Wenn sie jedoch in Extreme zwischen übersteigerter Euphorie und tiefer Verzweiflung übergehen, kann sich dahinter eine sogenannte bipolare Störung verbergen. Laut Schätzungen der Weltgesundheitsorganisation (WHO) leben weltweit rund 40 Millionen Menschen mit dieser Erkrankung.1 Unbehandelt kann sie schwerwiegende psychosoziale und gesundheitliche Folgen haben und sollte daher möglichst frühzeitig erkannt und behandelt werden.

Welche Formen der bipolaren Störung gibt es?

Die Phasen extrem gehobener Stimmung (manische Episoden) und tiefgreifender Niedergeschlagenheit (depressive Episoden) wechseln bei der bipolaren Störung, auch unabhängig von äußeren Anlässen, und sind durch Betroffene nicht kontrollierbar. Überdies gibt es gemischte Phasen, in denen manische und depressive Symptome gleichzeitig auftreten. Man unterscheidet mehrere Formen in Abhängigkeit von der Anzahl der Episoden und deren Ausprägung:

Die Phasen extrem gehobener Stimmung (manische Episoden) und tiefer Niedergeschlagenheit (depressive Episoden) wechseln bei der bipolaren Störung oft ohne erkennbare äußere Auslöser und entziehen sich in der Regel der bewussten Steuerung. Darüber hinaus können sogenannte gemischte Episoden auftreten, bei denen manische und depressive Symptome gleichzeitig vorhanden sind. Je nach Ausprägung und Anzahl der Episoden unterscheidet mehrere Formen:2

  • Bipolar-I-Störung: Depressive Episoden und mindestens eine manische Phase.
  • Bipolar-II-Störung: Depressive Episoden und mindestens eine hypomanische Phase, die milder ausgeprägt ist als eine Manie, d. h. ohne Realitätsverlust oder schwerwiegende soziale Folgen, und mindestens 4 Tage anhält.
  • Zyklothymia: Chronische leichte Depressionen und Hypomanien. Die symptomfreien Phasen betragen weniger als 2 Monate pro Jahr.
  • Gemischte / dysphorische Manie: Bipolar I-Störung, bei der manische und depressive Symptome gleichzeitig vorliegen.
  • Rapid Cycling: Mindestens vier Episoden (Manie, Hypomanie, Depression oder gemischt) pro Jahr. Diese Form gilt als besonders schwer behandelbar.

Wie entsteht eine bipolare Störung?

Die genauen Ursachen der bipolaren Störung sind noch nicht vollständig verstanden, es gilt jedoch als gesichert, dass mehrere biologische, genetische und psychosoziale Faktoren zusammenwirken. Man spricht deshalb von einer multifaktoriellen Entstehung.

Wie wird eine bipolare Störung diagnostiziert?

Die bipolare Störung ist nicht durch Laborwerte oder bildgebende Verfahren eindeutig nachweisbar. Die Diagnose beruht vor allem auf der Anamnese, also einem ausführlichen Gespräch mit der Patientin oder dem Patienten. Dabei wird geprüft, ob typische Symptome und der Verlauf der Stimmungsschwankungen zu den Kriterien einer bipolaren Störung passen. Gegebenenfalls werden auch Angehörige einbezogen, um zusätzliche Hinweise auf frühere Episoden zu erhalten. Ein Stimmungstagebuch kann helfen, die Häufigkeit und Ausprägung von Hoch- und Tiefphasen über einen längeren Zeitraum zu dokumentieren.

Die Diagnose ist oft schwierig, weil viele Betroffene keine klare Krankheitseinsicht haben oder sich scheuen, professionelle Hilfe in Anspruch zu nehmen. In vielen Fällen vergehen mehrere Jahre, bis die richtige Diagnose gestellt wird – besonders dann, wenn zunächst nur depressive Episoden auftreten.

Wie verläuft eine bipolare Störung?

Bipolare Erkrankungen beginnen meist im jugendlichen und jungen Erwachsenenalter.5 Frauen und Männer sind etwa gleich häufig betroffen, wobei Frauen häufiger depressive Episoden erleben, während bei Männern eher manische Phasen im Vordergrund stehen. Der Verlauf ist individuell sehr unterschiedlich. Typischerweise wechseln sich manische, hypomanische und depressive Phasen mit symptomfreien Zeiten ab, in denen die Stimmungslage ausgeglichen ist. Einzelne Krankheitsepisoden dauern meist mehrere Wochen bis Monate, ehe es zu einem Phasenwechsel kommt.

Wie wird eine bipolare Störung behandelt?

Die Behandlung einer bipolaren Störung gliedert sich in drei Phasen: Akutbehandlung, Erhaltungstherapie und Rückfallprophylaxe. Ziel ist es nicht nur, eine akute depressive oder manische Phase zu lindern, sondern die Häufigkeit und Schwere künftiger Episoden zu verringern und die Lebensqualität langfristig zu stabilisieren.

Psychotherapie

Ein zentraler Baustein ist die Psychotherapie, insbesondere die Psychoedukation: Patienten lernen, ihre bipolare Störung und Frühwarnzeichen besser zu verstehen und zu erkennen, um im Alltag angemessen reagieren zu können. In der kognitiven Verhaltenstherapie werden zusätzlich alltagsnahe Strategien eingeübt, um Stimmungsschwankungen besser zu bewältigen und einem Rückfall vorzubeugen. Von der aktuellen Leitlinie werden folgende Verfahren empfohlen: Kognitive Verhaltenstherapie (KVT), Familienfokussierte Therapie (FFT) sowie Interpersonelle und Soziale Rhythmustherapie (IPSRT).

Medikamentöse Therapie

Die medikamentöse Behandlung ist ein wichtiger Bestandteil jeder Therapie. Viele Betroffene müssen langfristig Medikamente einnehmen, um Symptome der bipolaren Störung und Rückfälle in manische oder depressive Phasen deutlich zu reduzieren. Zum Einsatz kommen unter anderem:

  • Stimmungsstabilisierer (Lithium, Valproat)
  • Atypische Antipsychotika (Olanzapin, Quetiapin)
  • Antidepressiva (meist nur in Kombination und unter enger ärztlicher Kontrolle)

Die Auswahl der Medikamente richtet sich nach dem aktuellen Krankheitsbild, dem Verlauf und individuellen Faktoren wie Vorerkrankungen oder Nebenwirkungsprofil.

Weitere Behandlungsverfahren

Weitere Behandlungsverfahren kommen vor allem dann zum Einsatz, wenn eine bipolare Störung schwer verläuft oder auf die üblichen medikamentösen und psychotherapeutischen Maßnahmen nicht ausreichend anspricht. Die Elektrokonvulsionstherapie (EKT) wird insbesondere empfohlen bei therapieresistenter schwerer Depression, manischer Erregung mit Lebensgefahr oder akuter Suizidalität. Die Wachtherapie (kontrollierter Schlafentzug) kann bei bipolaren Depressionen vorübergehend stimmungsaufhellend wirken, insbesondere in Kombination mit Lithium. Diese Verfahren werden unter stationären Bedingungen und enger ärztlicher Aufsicht angewendet.

Bipolare Störung – manisch-depressiv: Tipps für den Alltag

Eine wirksame Behandlung der bipolaren Störung basiert auf Psychotherapie und medikamentöser Therapie. Diese helfen dabei, Stimmungsschwankungen zu stabilisieren und Rückfällen vorzubeugen. Darüber hinaus können gezielte Maßnahmen im Alltag dazu beitragen, die Stabilität zu fördern und neue Episoden zu verhindern. Dazu gehören:

  • Strukturierter Tagesablauf, um Belastungsspitzen zu vermeiden.
  • Verzicht auf Alkohol und Drogen, da diese das Risiko für neue Phasen deutlich erhöhen können.
  • Regelmäßige körperliche Bewegung, um Stimmung, Schlaf und Stressregulation positiv zu beeinflussen.
  • Feste Schlaf- und Wachzeiten, da Schlafmangel als Auslöser für manische Phasen gilt.
  • Einbindung von Angehörigen, die im Alltag unterstützen und frühzeitig auf Stimmungsschwankungen hinweisen können.

Hilfe bei einer bipolaren Störung finden

Je früher die Diagnose gestellt wird, desto besser kann die Erkrankung behandelt werden. Für die ärztliche Abklärung sowie die Unterstützung im weiteren Verlauf gibt es zahlreiche Anlaufstellen. Wichtig: Bei Notfällen, z. B. akuter Selbstgefährdung, Notruf (112) wählen.

Hausärztin oder Hausarzt: Erste Einschätzung, Überweisung an Fachstellen

Fachärztin/Facharzt für Psychiatrie und Psychotherapie: Diagnostik, Behandlung und Medikamentenverordnung

Notfallambulanzen von Psychiatrien: Hilfe bei akuten Krisen, z.  Suizidgedanken oder manischer Erregung

Sozialpsychiatrischer Dienst (kommunal): Beratung, Unterstützung im Alltag, auch aufsuchend

Selbsthilfegruppen: Austausch mit anderen Betroffenen, emotionale Entlastung, praktische Tipps

Bipolar-Forum: Online-Angebote

DGBS Serviceangebote: Beratung, Materialien, Medien uvm.

Häufige Fragen zum Thema „Bipolare Störung“

Ein guter erster Schritt ist, sich als Angehöriger oder Freund gründlich über die bipolare Störung und Symptome zu informieren, z. B. über Fachliteratur, vertrauenswürdige Onlinequellen oder in Angehörigenseminaren, wie sie viele Selbsthilfegruppen und Kliniken anbieten. Hilfreich sind auch klare Absprachen für den Krisenfall – etwa was zu tun ist, wenn Angehörige Anzeichen für eine manische oder depressive Phase erkennen. Gespräche auf Augenhöhe, Unterstützung bei der Tagesstruktur, Geduld und wertschätzende Kommunikation helfen Betroffenen, sich sicherer zu fühlen.

Ja, Menschen mit bipolarer Störung können eine erfüllte Partnerschaft führen. Wichtig ist, dass beide Partner sich über die Erkrankung informieren und einen gemeinsamen Umgang mit den Stimmungsschwankungen entwickeln, etwa durch einen „Krisenplan“ für belastende Phasen. Offenheit, gegenseitiges Verständnis und ggf. Paartherapie oder begleitende Gespräche können die Beziehung stärken.

Nein. Auch wenn Menschen in manischen Phasen gereizt, impulsiv oder sehr aktiv wirken können, heißt das nicht automatisch, dass sie aggressiv sind. In Einzelfällen kann es zwar zu vermehrter Reizbarkeit oder Spannungen kommen, etwa wenn Betroffene sich ausgebremst fühlen. Doch pauschal lässt sich kein Zusammenhang zwischen Bipolarität und aggressivem Verhalten herstellen. Entscheidend ist der individuelle Verlauf und der Umgang mit der psychischen Störung.

Die Symptome einer bipolaren Störung sind bei Frauen grundsätzlich die gleichen wie bei Männern, jedoch zeigen sich in Studien geschlechtsspezifische Unterschiede im Verlauf und in der Ausprägung der psychischen Erkrankung: Frauen zeigen häufiger depressive und gemischte Episoden, reagieren sensibler auf hormonelle Veränderungen und weisen mehr Begleiterkrankungen auf. Das sollte bei Diagnose und Therapie berücksichtigt werden.

1 World Health Organization „Bipolar disorder“, 8 July 2024, https://www.who.int/news-room/fact-sheets/detail/bipolar-disorder (Datum des Zugriffs: 23.05.2025)

2 Deutsche Gesellschaft für Bipolare Störungen e. V. (DGBS): „Einteilung bipolarer Störungen“, https://dgbs.de/bipolare-stoerung/diagnose/icd-10-code (Datum des Zugriffs: 23.05.2025)

3 Tondo L, Vázquez GH, Baldessarini RJ. Depression and Mania in Bipolar Disorder. Curr Neuropharmacol. 2017 Apr;15(3):353-358. doi: 10.2174/1570159X14666160606210811. PMID: 28503106; PMCID: PMC5405618, https://pmc.ncbi.nlm.nih.gov/articles/PMC5405618/ (Datum des Zugriffs: 23.05.2025)

4 O’Connell, K.S., Koromina, M., van der Veen, T. et al. „Genomics yields biological and phenotypic insights into bipolar disorder”. In: Nature 639, 968–975 (2025). https://doi.org/10.1038/s41586-024-08468-9 (Datum des Zugriffs: 23.05.2025)

4 Mullins, N., Forstner, A.J., O’Connell, K.S. et al. „Genome-wide association study of more than 40,000 bipolar disorder cases provides new insights into the underlying biology”. In: Nat Genet 53, 817–829 (2021). https://doi.org/10.1038/s41588-021-00857-4, https://www.nature.com/articles/s41588-021-00857-4 (Datum des Zugriffs: 23.05.2025)

5 DGBS und DGPPN: „S3-Leitlinie zur Diagnostik und Therapie Bipolarer Störung“ (Stand Mai 2020), S. 24 https://www.dgppn.de/_Resources/Persistent/ef9214009e20d260d4f5a6e6932f3fb7f914efbb/S3_Leitlinie_Bipolar_V2.1_Update_20200504.pdf (Datum des Zugriffs: 23.0.2025)

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