Dysthymie

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Aktualisiert am 15. Januar 2025

 

  • Dysthymie ist eine chronische depressive Verstimmung.
  • Die Symptomatik besteht über mindestens zwei Jahre bei Erwachsenen, und ein Jahr bei Kindern und Jugendlichen an mehr als der Hälfte aller Tage.
  • Dysthymie tritt häufig gemeinsam mit anderen psychischen Störungen auf.
  • Das Risiko für das Auftreten einer schweren Depression ist für Menschen mit Dysthymie erhöht.
  • Genetische Faktoren spielen eine Rolle bei der Entstehung, so wie bei allen Arten von depressiven Störungen.

Dysthymie – die wenig bekannte Schwermut

 

Wer häufig niedergeschlagen ist, sich innerlich unruhig fühlt und nur schwer Freude empfinden kann, dann aber auch wieder gute Tage und Wochen hat, könnte an einer Dysthymie (chronische depressive Verstimmung) leiden. Diese Form der chronischen Depression betrifft in Deutschland circa 1,7 % der Bevölkerung1, wobei Frauen generell häufiger betroffen sind. Die Erkrankung beginnt meist im jungen Erwachsenenalter, kann aber beispielsweise nach belastenden Erlebnissen auch im fortgeschrittenen Alter entstehen.

Was ist der Unterschied zwischen Depression und Dysthymie?

 

Die Symptome einer Dysthymie sind im Vergleich zu einer depressiven Episode leichter ausgeprägt (subsyndromal). Zudem können die Beschwerden von Tag zu Tag oder von Woche zu Woche unterschiedlich stark ausgeprägt sein. Deshalb können Menschen mit der chronischen Depression „Dysthymia“ ihren Alltag meist noch bewältigen. Aus diesem Grund wird die Krankheit oft erst spät erkannt. Bei einer depressiven Episode sind die Beeinträchtigungen für das Umfeld viel deutlicher sichtbar als bei der leichten chronischen Depression.

Welche Ursachen hat die Erkrankung?

 

Grundsätzlich geht man bei depressiven Erkrankungen von einem multifaktoriellen Geschehen aus, bei dem biologische, soziale und psychologische Faktoren eine Rolle spielen (biopsychosoziales Modell). Dysthymien treten familiär gehäuft auf, daher geht man von einer genetischen Veranlagung aus. Ergebnisse einer Studie lassen darauf schließen, dass bei Frauen Anomalien des Frontallappens eine Rolle spielen könnten3. Ein wichtiger Faktor bei der Entstehung von Depressionen ist psychosozialer Stress, z. B. mangelnde Unterstützung durch andere Personen, soziale Isolierung oder auch ein einschneidendes Lebensereignis. Auch Störungen im Neurotransmitterhaushalt können ein weiterer auslösender Faktor sein4.

Dysthymie: Symptome der Erkrankung

 

Dysthymien und chronische Depressionen zeigen ähnliche Symptomatiken, allerdings sind diese bei einer Dysthymie leichter ausgeprägt. Sie zeigt sich durch eine depressive Stimmung, die über mindestens 2 Jahre besteht, sowie folgende Symptome5:

 

  • verminderter Appetit oder übermäßiges Essen
  • Schlaflosigkeit oder erhöhtes Schlafbedürfnis
  • wenig Energie, chronische Müdigkeit
  • geringes Selbstvertrauen
  • Konzentrationsstörungen, Entscheidungsunfähigkeit
  • Gefühle der Hoffnungslosigkeit

Wie wird eine depressive Verstimmung diagnostiziert?

 

Die oben beschriebenen Symptome müssen mindestens zwei Jahre andauern und an mindestens der Hälfte aller Tage vorliegen, um eine Dysthymie zu diagnostizieren. Dabei dürfen die symptomfreien Intervalle maximal zwei Monate lang sein. Neben der Eigenanamnese des Patienten mittels standardisierter Fragebögen können nahestehende Personen befragt werden. Zusätzlich zum klinischen Eindruck gibt es standardisierte Fragebögen wie den Beck-Depressions-Inventar (BDI) oder die Hamilton-Depression-Scale. Sie erfassen die Schwere der depressiven Symptome entsprechend der Selbsteinschätzung des Patienten.

Wie erfolgt die Behandlung der Störung?

 

Vielen fällt es schwer, sich Hilfe zu suchen, da sie ihre depressive Stimmung als Teil ihres Charakters interpretieren. Auch Außenstehende können die Erkrankung oft schwer erkennen, da Betroffene ihren Alltag meist noch bewältigen und typische Symptome in sozialen Situationen kaschieren können. Da die Erkrankung chronisch verläuft, ist die Behandlung meist aufwendig und langwierig. Eine Kombination aus Medikamenten und Psychotherapie hat sich als am besten erwiesen.

Medikamente

Derzeit gibt es noch wenige Studien zur Therapie chronischer Depressionen bzw. Dysthymie. Die Ergebnisse deuten darauf hin, dass eine Therapie mit Antidepressiva wirksamer ist als ein Placebo oder eine alleinige Psychotherapie. Die Leitlinien empfehlen daher eine Behandlung mit Medikamenten und Psychotherapie.6

Für die Behandlung der chronischen Depression „Dysthymia“ werden die die gleichen Medikamente eingesetzt wie für nicht-chronische Varianten, z. B. Selektive Serotonin-Wiederaufnahmehemmer (SSRI), Serotonin-Noradrenalin-Wiederaufnahmehemmer (SNRI), trizyklische Antidepressiva (TZA) oder atypische Antidepressiva (NaRI, DAS, SNaRI, NASSA). Die Wirkung tritt in der Regel nicht sofort, sondern erst nach einigen Wochen ein.

Psychotherapie

Psychotherapeutische Verfahren sollen den Patienten helfen, die Ursache ihrer Beschwerden zu finden, Bewältigungsstrategien zu entwickeln und ihre Sichtweisen zu erweitern. Als psychotherapeutische Maßnahmen kommen die kognitive Verhaltenstherapie oder die interpersonelle Psychotherapie infrage sowie eine spezielle Therapieform, die extra zur Behandlung von depressiven Störungen entwickelt wurde und die verschiedene psychotherapeutische Ansätze vereint: das Cognitive Behavioral Analysis System of Psychotherapy (CBASP)7. Neben einer individuellen Therapie können auch Gruppentherapien oder Selbsthilfegruppen zur Besserung beitragen.

Hilfe bei Dysthymie finden

 

Ein wichtiger Schritt zur Behandlung depressiver Erkrankungen ist es, sich selbst einzugestehen, dass man Hilfe benötigt. Neben dem Hausarzt gibt es auf depressive Erkrankungen spezialisierte Anlaufstellen. Auf dieser Seite kann man eine regionale Datenbankabfrage starten.

Was kann man selbst tun?

 

Es gibt keinen Weg, um das Auftreten einer Depression zu verhindern. Bei der Dysthymie ist zudem das Problem, dass sie oft nicht rechtzeitig erkannt wird, weil die Symptome weniger schwerwiegend erscheinen als bei einer Major Depression. Insofern ist es wichtig, auch leichte depressive Symptome, die länger als 2 Wochen andauern und die Lebensqualität beeinträchtigen, ernst zu nehmen und sich professionelle Hilfe zu suchen. Um Resilienz, die eigene Widerstandsfähigkeit gegenüber Belastungen und Krisen, zu stärken, ist es wichtig, stabile soziale Netzwerke aufzubauen und eine gute Selbstfürsorge zu etablieren sowie Techniken im Umgang mit Stress zu erlernen.

Häufige Fragen zum Thema Dysthymie

 

Ja. Eine Dysthymie kann von Phasen schwerer depressiver Episode (Major Depression) überlagert sein. In diesem Fall spricht man von einer Doppeldepression (Double Depression). Diese wird in der Regel mit einer Kombinationstherapie aus medikamentöser Behandlung und Psychotherapie behandelt. Wenn Patienten nicht auf eine Mono-Therapie mit Antidepressiva und Psychotherapie ansprechen, kann u. a. eine Augmentation mit anderen Medikamenten erfolgen, um eine Wirkungsverstärkung zu erreichen oder weitere Symptome zu behandeln8.

 

Je nach Zusammenhang und Ausprägung der Beschwerden kommen verschiedene Differenzialdiagnosen in Betracht. Dazu gehören depressive Episoden, reaktive Depressionen als Reaktion auf ein belastendes Ereignis oder eine organisch bedingte Depression. Auch in der Schwangerschaft oder vor der Menstruation können depressive Beschwerden auftreten.

 

Häufig liegen mehrere psychische Erkrankungen gleichzeitig vor. Parallel zur Dysthymia können beispielsweise Depressionen, Angststörungen, Persönlichkeitsstörungen, psychosomatische Beschwerden oder Alkohol- und Substanzmissbrauch auftreten. Wichtig ist es, bei depressiven Symptomen auf das mögliche Vorliegen von Suizidalität zu achten. In diesem Fall ist rasch professionelle Hilfe erforderlich.

 

Grundsätzlich lassen sich Depressionen gut behandeln. Wichtig ist ein früher Behandlungsbeginn bei den ersten Anzeichen einer depressiven Störung. Bei einer Dysthymie handelt es sich bereits um eine chronifizierte Form der Depression, denn die Krankheit wird oft erst spät erkannt und behandelt. Das kann dazu führen, dass die Behandlung aufwendiger ist und auch Therapieresistenzen auftreten.

1 Nationale Versorgungsleitlinien (NVL): „NVL Unipolare Depression (2022)“, S. 18. https://www.leitlinien.de/themen/depression/version-3/kapitel-1 (Letzter Abruf 22.07.2024)

 

2 Ebd., S. 22

 

3 Lyoo, In Kyoon: „Decrease in genu of the corpus callosum in medication-naïve, early-onset dysthymia and depressive personality disorder”. In: Biological Psychiatry, 52(12):1134-1143, 2002, https://www.biologicalpsychiatryjournal.com/article/S0006-3223(02)01436-1/abstract (Letzter Abruf 22.07.2024)

 

4 Gelbe Liste: „Depression“, https://www.gelbe-liste.de/krankheiten/depression , Stand: 28.06.2022, Dr. Christian Kretschmer, (Letzter Abruf 22.07.2024)

 

5 National Library of Medicine: “Persistent Depressive Disorder”, Ryj K. Patel, Greogory M. Rose, 26.06.2023, https://www.ncbi.nlm.nih.gov/books/NBK541052/, (Letzter Abruf 22.07.2024)

 

6 AWMF online: „PatientenLeitlinie und Nationalen VersorgungsLeitlinie. Unipolare Depression. 2. Auflage, Dezember 2016, Version 2, S. 71 https://register.awmf.org/assets/guidelines/nvl-005p_S3_Unipolare_Depression_2022-10.pdf (Letzter Abruf 22.07.2024)

 

7 Nationale Versorgungsleitlinien (NVL), a. a. O., S. 82

 

8 Ebd., S. 126 ff.

 

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