Nervenzusammenbruch

13 Minuten

Aktualisiert am 21. November 2025

  • Ein Nervenzusammenbruch kann nach einem extrem belastenden, überwältigenden Ereignis oder einer länger anhaltenden extremen Stresssituation auftreten.
  • Nervenzusammenbruch ist keine medizinische Diagnose, sondern eine umgangssprachliche Bezeichnung für eine akute Belastungsreaktion eine akute Stressreaktion.
  • In der Regel treten die Symptome innerhalb weniger Stunden bis Tage nach dem Ereignis auf und klingen, wenn der Stressor nicht mehr da ist, wieder ab.
  • Die Symptome sind vielfältig und reichen von ausgeprägten Stimmungsschwankungen über körperliche Reaktionen wie Herzrasen, Schweißausbrüche und Übelkeit bis zu Alpträumen und Sprachlosigkeit.
  • Halten die Symptome bei akuten Ereignissen länger als eine Woche an bzw. mehr als einen Monat bei längerer extremer Belastung, sollte eine ärztliche Abklärung erfolgen.
  • In akuten Situationen mit Eigen- oder Fremdgefährdung ist professionelle notfallmedizinische Hilfe erforderlich.
Psychischer Stress - wenn alles zuviel wird

Wenn die Seele überfordert ist – der sogenannte Nervenzusammenbruch

Das seelische Gleichgewicht kann durch ein einzelnes Ereignis erschüttert werden, z. B. einen schweren Autounfall, die Diagnose einer ernsten Krankheit oder den plötzlichen Verlust eines geliebten Menschen. Doch auch lange Phasen von Stress, Überforderung und Schlafmangel können die psychischen Ressourcen erschöpfen. Oft ist es dann nur ein kleines Ereignis, der sprichwörtliche letzte Tropfen, der das Fass zum Überlaufen bringt und intensive Gefühle auslöst, die Betroffene kurzfristig nicht mehr bewältigen können. Dies bezeichnet man gemeinhin als Nervenzusammenbruch.

Was sind Risikofaktoren für einen Nervenzusammenbruch?

Eine akute psychische Überforderung entsteht selten durch eine einzelne Ursache. Meist wirken mehrere, teils länger andauernde Belastungsfaktoren auf persönlicher, beruflicher und sozialer Ebene zusammen.

Plötzliche, einschneidende Ereignisse wie ein schwerer Unfall, eine Gewalterfahrung oder der Verlust eines nahestehenden Menschen können das seelische Gleichgewicht so erschüttern, dass die individuellen Bewältigungsstrategien vorübergehend überfordert sind. Die auftretenden intensiven psychischen und körperlichen Symptome sind zunächst eine natürliche Antwort des Körpers und der Psyche auf die extreme Situation. Wenn die akute Belastungssituation vorbei ist, klingen in der Regel auch die Symptome wieder ab.

Wenn Körper und Psyche über Wochen oder Monate unter ständiger Anspannung stehen, bleibt das Stresssystem dauerhaft aktiviert. Die Folge ist eine Erschöpfung der körpereigenen Stressregulation: Emotionen lassen sich schwieriger steuern, die Reizempfindlichkeit steigt und Erholung gelingt immer weniger.

Kommt in dieser Phase der Dauerbelastung ein weiteres belastendes Ereignis hinzu, kann das innere Gleichgewicht kippen. Die über lange Zeit aufgestaute Anspannung entlädt sich, das Stresssystem reagiert überschießend, zum Beispiel mit Herzrasen, Muskelanspannung, Gedankenkreisen, überschießenden Emotionen oder innerer Leere. Was nach außen wie ein Zusammenbruch wirkt, ist in Wirklichkeit eine akute Stressreaktion – also eine kurzfristige Überreaktion eines erschöpften Systems und das, was man umgangssprachlich als Nervenzusammenbruch bezeichnet.

Aus eigener Erfahrung wissen viele: Wenn man krank ist, selbst bei einer einfachen Erkältung, ist man schneller erschöpft, reizbarer und weniger belastbar. Der Körper arbeitet auf Hochtouren, um die Genesung zu bewältigen, und das beansprucht auch das körpereigene Stresssystem. Bei chronischen körperlichen Erkrankungen steht der Organismus dauerhaft unter Anspannung, Erholung fällt schwerer und die Stressgrenze sinkt.

Auch Erkrankungen wie Depressionen, Angststörungen oder eine posttraumatische Belastungsstörung können die Belastbarkeit mindern. Gefühle lassen sich dann schwieriger regulieren, Reize werden schneller als bedrohlich erlebt, und das innere Gleichgewicht gerät leichter ins Wanken. Die Folge: Schon eine zusätzliche Belastung, etwa ein Konflikt, eine schlechte Nachricht oder eine Verschlechterung der körperlichen Gesundheit, kann das sprichwörtliche Fass zum Überlaufen bringen und eine akute Stressreaktion beziehungsweise einen „Nervenzusammenbruch“ auslösen.

Wie Menschen auf herausfordernde Situationen reagieren, hängt auch von ihrer individuellen Vulnerabilität, also ihrer Verletzlichkeit gegenüber Stress und Belastung, ab. Diese wird durch biologische, psychische und soziale Faktoren beeinflusst. Eine erhöhte Vulnerabilität kann zum Beispiel durch frühe belastende Kindheitserlebnisse entstehen, anhaltenden Stress oder mangelnde emotionale Unterstützung.

Einen Einfluss haben auch die persönlichen Bewältigungsstrategien (Coping) und die Fähigkeit zur Emotionsregulation. Menschen, die Schwierigkeiten haben, Gefühle wie Angst, Ärger oder Hilflosigkeit zu verarbeiten, erleben Stress meist stärker. Wer zu ausgeprägter Selbstkritik, starkem Leistungsdruck oder Perfektionismus neigt, gerät ebenfalls schneller an seine mentale Belastungsgrenze, sodass zusätzliche Anforderungen oder ein unerwartetes Ereignis ausreichen können, um die Person zu überfordern.

Was passiert im Körper bei einem Nervenzusammenbruch?

Als Reaktion auf eine akute psychische Überforderung schaltet der Körper in einen Alarmzustand: Das autonome Nervensystem, insbesondere der Sympathikus, wird aktiviert. Dadurch werden die Stresshormone Adrenalin, Noradrenalin und Cortisol ausgeschüttet. Herzfrequenz und Blutdruck steigen, die Muskulatur spannt sich an und die Aufmerksamkeit fokussiert sich ganz auf die wahrgenommene Bedrohung. Auch psychosozialer Stress kann diese physiologische Reaktion auslösen. Eine kleinere Studie zeigt beispielsweise, dass sogenannter Technostress, also durch digitale Technologien hervorgerufener Stress, im beruflichen Umfeld eine stärkere Aktivierung des Stresssystems bewirken und dadurch langfristig das Risiko für Burnout erhöhen kann.

 

Die langfristigen Folgen von chronischem Stress sind komplex und noch nicht vollständig geklärt. Bekannt ist jedoch, dass chronisch erhöhte Cortisolspiegel und eine dauerhafte Aktivierung der Stressachse (Hypothalamus-Hypophysen-Nebennieren-Achse) mit Herz-Kreislauf-Erkrankungen, geschwächter Immunabwehr, Magen-Darm-Beschwerden sowie einer erhöhten Anfälligkeit für depressive Störungen in Zusammenhang stehen. Forschende untersuchen derzeit verschiedene Biomarker, um diese Zusammenhänge besser zu verstehen.3

Wie wird ein Nervenzusammenbruch diagnostiziert?

Da der Begriff „Nervenzusammenbruch“ keine anerkannte medizinische Diagnose ist, steht zu Beginn die Frage, welches Krankheits- oder Reaktionsmuster tatsächlich vorliegt. Eine fundierte Diagnostik orientiert sich an den Kriterien der Diagnosemanuale (ICD-10 bzw. ICD-11) und erfolgt in mehreren Schritten:

Ziel des Gesprächs ist es, herauszufinden, ob die Reaktion eine vorübergehende Folge einer außergewöhnlichen Belastungssituation ist, also eine normale Stressreaktion, oder ob es Anzeichen für eine behandlungsbedürftige Störung wie eine Anpassungsstörung, eine Posttraumatische Belastungsstörung (PTBS), eine Depression oder eine Angststörung gibt. Erfasst werden:

  • aktuelle Beschwerden (z. B. Erschöpfung, Angst, Schlafstörungen, Antriebslosigkeit, Überforderung)
  • Zeitpunkt, Verlauf und mögliche Auslöser (z. B. belastende Situationen, Konflikte)
  • bisherige psychische oder körperliche Erkrankungen
  • Medikamenteneinnahme, Suchtverhalten und familiäre Stressfaktoren

Manche Erkrankungen, z. B. Schilddrüsenüberfunktion, hormonelle Dysregulationen oder Herzrhythmusstörungen, können Symptome auslösen, die denen einer seelischen Krise ähneln, z. B. Herzrasen, Zittern, Schwitzen. Deshalb ist eine sorgfältige differentialdiagnostische Abklärung wichtig. Hierzu gehören beispielsweise:

  • körperliche Untersuchung (Herz-Kreislauf, neurologisch, endokrinologisch)
  • Laboruntersuchungen (z. B. Schilddrüsenwerte, Cortisolspiegel, Blutzucker)
  • EKG

Mithilfe strukturierter Interviews oder standardisierter Fragebögen werden Schweregrad und Art der Symptome systematisch erfasst. Hierbei achtet der Arzt oder Therapeut insbesondere auf:

  • emotionale und kognitive Symptome, z. B. Angst, Anspannung, Überforderung, Grübeln
  • körperliche Begleiterscheinungen, z. B. Zittern, Schlafstörungen, Herzrasen
  • Verhaltensänderungen, z. B. Rückzug, Erschöpfung, sozialer Funktionsverlust

Was kann man selbst bei einem Nervenzusammenbruch tun?

Wenn sich Anzeichen eines Nervenzusammenbruchs zeigen, etwa Überforderung, Panik, Zittern oder das Gefühl, „nicht mehr zu können“, hilft es zunächst, einen Schritt aus der belastenden Situation herauszutreten.
Wichtig ist, Körper und Geist zu beruhigen, anstatt sich weiter unter Druck zu setzen. Die folgenden Maßnahmen können bei leichter Überforderung oder vorübergehender Anspannung hilfreich sein. Nach schweren oder traumatischen Ereignissen oder wenn die Beschwerden über Tage oder Wochen anhalten, sollte unbedingt professionelle Unterstützung in Anspruch genommen werden.

Wie können Angehörige und Freunde der betroffenen Person helfen?

Angehörige und Freunde können in Zeiten seelischer Ausnahmesituationen eine wertvolle Stütze für Betroffene sein, indem sie Gesprächsangebote machen, bei der Strukturierung des Alltags unterstützen und, wenn erforderlich, zur Annahme professioneller Hilfe ermutigen. Folgende Verhaltensweisen können in Krisensituationen hilfreich sein:

  • Ruhig bleiben und in einfachen, klaren Sätzen sprechen, komplexe Diskussionen vermeiden.
  • Gefühle ernst nehmen und nicht bagatellisieren oder bewerten.
  • Sicherheit und Stabilität vermitteln, z. B. durch ruhige Präsenz oder eine Hand auf der Schulter (wenn erwünscht).
  • Beruhigung fördern, z. B. durch Spaziergänge oder ruhiges Atmen
  • Sicherheit geben: „Ich bleibe bei dir, bis du dich ruhiger fühlst.“
  • Bei Fremd- oder Eigengefährdung professionelle Hilfe anfordern

Wenn Betroffene nicht mehr ansprechbar sind, äußerst verwirrt wirken, selbstgefährdende Äußerungen machen oder sich in Gefahr befinden, sollte umgehend der Notruf (112) oder ein psychiatrischer Krisendienst verständigt werden.

Hilfe bei einem Nervenzusammenbruch finden

Nach einem traumatischen Ereignis oder bei akuten psychischen Belastungszuständen sollten Betroffene nicht allein bleiben, sondern sich (professionelle) Unterstützung suchen. Folgende Stellen bieten Hilfe im Akutfall bzw. bei fortbestehenden Symptomen:

Ärztlicher Notdienst
Bei ausgeprägter Verzweiflung bzw. starken Symptomen

Telefonseelsorge
Anonyme und kostenlose Soforthilfe 0800 111 0 111 oder 0800 111 0 222

Sozialpsychiatrischer Dienst vor Ort
Unterstützt in seelischen Krisen und hilft bei der Organisation weiterer Schritte

Hausarzt / Hausärztin
Überweisung an Fachärzte

Facharzt für Psychiatrie und Psychotherapie
Diagnostik, medikamentöse Behandlung und psychotherapeutische Unterstützung

Psychotherapeuten
Therapie bei fortbestehenden Symptomen

Psychiatrische Institutsambulanzen (PIA)
Bei komplexen oder wiederkehrenden Krisen, angesiedelt an Kliniken

Kliniken für Psychiatrie, Psychotherapie oder Psychosomatik
Bei schwerer Symptomatik, Suizidgedanken oder fehlender Stabilität

Selbsthilfegruppen
Zur längerfristigen Unterstützung und zum Erfahrungsaustausch

Häufige Fragen zum Thema „Nervenzusammenbruch“

Eine akute Belastungsreaktion (akute Stressreaktion) ist eine medizinisch definierte Diagnose, die als vorübergehende psychische Reaktion auf ein außergewöhnlich belastendes oder traumatisches Ereignis beschrieben wird. Typisch sind Symptome wie innere Unruhe, Angst, emotionale Betäubung, Verwirrtheit, körperliche Stressreaktionen (z. B. Herzrasen, Zittern) oder Rückzug. Diese Reaktionen beginnen meist unmittelbar nach dem Ereignis und klingen innerhalb von Stunden bis wenigen Tagen wieder ab.

Der Begriff „Nervenzusammenbruch“ ist kein medizinischer Fachbegriff, sondern eine umgangssprachliche Bezeichnung für einen psychischen Zusammenbruch, der Ausdruck einer akuten Belastungsreaktion, aber auch einer anderen Krise sein kann, z. B. bei Depressionen, Angst- oder Anpassungsstörungen.

Emotional überfordernden Situationen kann man in der Regel nicht vorbeugen, allerdings kann man die eigene mentale Widerstandskraft (Resilienz) stärken, um mit Stress und herausfordernden Lebenssituationen besser umgehen zu können. Hilfreich dafür sind beispielsweise:

  • Regelmäßige Entspannungsübungen, z. B. Achtsamkeit, progressive Muskelentspannung, Atemtechniken
  • Ausgleich zu Stress und Überforderung durch Bewegung, Freizeitaktivitäten oder kreative Tätigkeiten
  • Stabile soziale Kontakte, die emotionale Unterstützung bieten
  • Sensibilität für individuelle Frühwarnzeichen, etwa Schlafstörungen, Gereiztheit oder Rückzug, um rechtzeitig für Entlastung zu sorgen
  • Professionelle Hilfe in Anspruch nehmen, wenn Überforderung anhält oder sich verstärkt

In vielen Fällen klingt eine akute Belastungsreaktion nach kurzer Zeit wieder ab. Bleiben jedoch Symptome wie Anspannung, Schlafstörungen, Überforderung oder emotionale Instabilität über Wochen bestehen, kann sich daraus eine behandlungsbedürftige psychische Störung entwickeln, z. B. eine Anpassungsstörung, Depression oder posttraumatische Belastungsstörung (PTBS).

Wenn Betroffene Substanzen wie Alkohol, Drogen oder Medikamente nutzen, um sich zu entspannen oder belastende Gefühle zu betäuben, besteht überdies das Risiko, eine Abhängigkeitserkrankung zu entwickeln. Eine fehlende Behandlung kann nicht nur die seelische Gesundheit beeinträchtigen, sondern auch das Sozialleben und die berufliche Leistungsfähigkeit.

1 ICD-11 for Mortality and Morbidity Statistics, https://icd.who.int/browse/2025-01/mms/en#505909942, (Datum des Zugriffs: 31.10.2025)

2 Kaltenegger, H.C., Becker, L., Rohleder, N. et al. Associations of technostressors at work with burnout symptoms and chronic low-grade inflammation: a cross-sectional analysis in hospital employees. Int Arch Occup Environ Health 96, 839–856 (2023). https://doi.org/10.1007/s00420-023-01967-8, https://link.springer.com/article/10.1007/s00420-023-01967-8 (Datum des Zugriffs: 31.10.2025)

3 Noushad S, Ahmed S, Ansari B, Mustafa UH, Saleem Y, Hazrat H. Physiological biomarkers of chronic stress: A systematic review. Int J Health Sci (Qassim). 2021 Sep-Oct;15(5):46-59. PMID: 34548863; PMCID: PMC8434839, https://pubmed.ncbi.nlm.nih.gov/34548863/ (Datum des Zugriffs: 31.10.2025)

 

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