Suchterkrankungen

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Aktualisiert am 10. April 2025

 

  • Mehrere Millionen Menschen in Deutschland leiden unter einer
  • Suchterkrankungen entstehen über einen längeren Zeitraum; multifaktorielle Ursachen sind dafür verantwortlich.
  • Abhängigkeit kann schwerwiegende psychische, soziale sowie körperliche Folgen haben.
  • Es wird zwischen stoffgebundenen und stoffungebundenen Süchten unterschieden.
  • Es existieren Behandlungsmethoden, die eine dauerhafte Abstinenz ermöglichen.

Alkohol, Drogen, Mediensucht – Wenn die Sucht die Kontrolle übernimmt

 

Suchterkrankungen stellen ein bedeutendes gesundheitliches und soziales Problem dar, das Millionen Menschen betrifft. Rauchen und Alkoholkonsum sind weit verbreitet, und die Zahl der Cannabiskonsumenten steigt. Neue illegale Drogen mit verharmlosenden Namen drängen auf den Markt. Der Missbrauch von Medikamenten ist längst in der Mitte der Gesellschaft angekommen. Einen besorgniserregenden Aufschwung haben in den letzten Jahren die Verhaltenssüchte, wie Mediensucht, Glücksspielsucht und Kaufsucht, erfahren. Umso wichtiger ist es, das Bewusstsein für diese Gefahren zu schärfen.

Wie viele Menschen sind in Deutschland suchtkrank?

Hierzulande gelten 1,6 Millionen Menschen als alkoholabhängig, 7,9 Millionen trinken Alkohol in riskanten Mengen, 4,4 Millionen sind von Tabak abhängig, bei 2,9 Millionen Menschen ist von einem problematischen Medikamentenkonsum auszugehen.1 1,3 Millionen Menschen konsumieren laut Bundesministerium für Gesundheit Cannabis und illegale Drogen in riskanter Menge.2 Bei den jungen Erwachsenen bis 25 Jahren zeigen 5,5 % ein problematisches Medienverhalten.3 Ein kritisches Glücksspiel-Verhalten zeigen 6,1 % der Erwachsenen.4

Wer ist von Suchterkrankungen betroffen?

Bei einigen Suchtmitteln gibt es geschlechtsspezifische Unterschiede. So zeigen Statistiken, dass Frauen tendenziell häufiger einen problematischen Medikamentenkonsum pflegen, während Männer häufiger von riskantem Drogenkonsum betroffen sind.5 Da die Entstehung einer Suchterkrankung ein multifaktorielles Geschehen ist und niemals auf eine einzelne Ursache zurückzuführen ist, kann eine Suchterkrankung theoretisch jeden treffen.

Welche Arten von Suchterkrankungen gibt es?

Bei Suchtkrankheiten wird zwischen stoffgebundenen und stoffungebundenen Arten unterschieden. Auch wenn die Mechanismen und Symptome einander ähneln, existieren teilweise Unterschiede, die sich unter anderem bei den körperlichen Folgen und in der Behandlung bemerkbar machen.

Wie entsteht eine Suchterkrankung?

Eine Suchterkrankung entsteht nicht über Nacht und ist normalerweise auch nicht auf das alleinige Einwirken eines einzelnen Faktors zurückzuführen. Um die Entstehung einer Abhängigkeit zu erklären, wird das biopsychosoziale Modell genutzt. Es zeigt auf, dass die Entwicklung der Störung ihren Ursprung auf biologischer, psychischer und sozialer Ebene hat.

Biologische Ebene

Auf der biologischen Ebene spielt vor allem die Wirkung des Suchtmittels eine Rolle. Psychoaktive Substanzen üben einen Einfluss auf die Ausschüttung und Weiterleitung bestimmter Botenstoffe wie Dopamin aus. Dadurch wird das Belohnungssystem aktiviert und die positive Rauschwirkung setzt ein. Langfristig kommt es außerdem zu molekularen Veränderungen im Gehirn, die das Suchtverhalten fördern. Bei Verhaltenssüchten ist der Wirkmechanismus ähnlich.

Psychische Ebene

Auf der psychischen Ebene können verschiedene Risikofaktoren identifiziert werden, welche die Ausbildung einer Suchterkrankung begünstigen können. Denkmuster und Einstellungen, wie zum Beispiel ein geringes Selbstwertgefühl oder mangelnde Konfliktlösefähigkeit, aber auch Stress und psychische Erkrankungen wie Depressionen und Angststörungen können das Suchtrisiko erhöhen.

Soziale Ebene

Konflikte im Berufs- oder Sozialleben gelten als Sucht-Risikofaktoren. Auch die Rolle ungünstiger Vorbilder darf nicht unterschätzt werden: Wer zum Beispiel in einer Familie aufwächst, in der täglich Alkohol konsumiert wird, lebt selbst mit einem erhöhten Risiko für problematischen Konsum. Dasselbe gilt für den Freundeskreis und andere Peergroups im sozialen Umfeld.

Wie wird eine Abhängigkeitserkrankung diagnostiziert?

Suchtkrankheiten entwickeln sich meist über einen längeren Zeitraum. Zu Beginn glauben viele Betroffene, den Konsum bzw. das Verhalten unter Kontrolle zu haben. Oft suchen sie erst dann einen Arzt auf, wenn die Folgen der Erkrankung so belastend geworden sind, dass sie sich nicht mehr leugnen lassen. Der Hausarzt ist häufig der erste Ansprechpartner.

Wie wird eine Suchterkrankung behandelt?

Suchterkrankungen sind behandelbar. Die optimale Therapie hängt unter anderem davon ab, um welche Art von Sucht es sich handelt und wie stark diese ausgeprägt ist. Das Ziel der Behandlung ist in der Regel die Abstinenz – der Betroffene soll zukünftig vollständig auf das Suchtmittel bzw. das Suchtverhalten verzichten können. Bei einer stoffgebundenen Sucht, wie zum Beispiel einer Alkoholabhängigkeit, setzt sich eine Entzugstherapie aus verschiedenen Bestandteilen zusammen:

Entgiftung (sofern nötig)

Die Entgiftung, auch körperlicher Entzug genannt, bezieht sich auf das Absetzen bzw. Ausschleichen des Rauschmittels. Da hierbei gravierende Nebenwirkungen auftreten können, wird in vielen Fällen eine stationäre Unterbringung in einer Klinik (zum Beispiel private Fachklinik oder Suchtstation einer Psychiatrie) empfohlen. Dort findet eine medizinische Überwachung des Patienten statt. Entzugsbeschwerden können bei Bedarf durch die Gabe von Medikamenten gelindert werden.

Entwöhnung

An die körperliche Entgiftung schließt sich die psychische Entwöhnung an, deren Kernelement die Psychotherapie ist. Patienten gehen mit therapeutischer Unterstützung den Ursachen ihrer Erkrankung auf den Grund, identifizieren suchtfördernde Verhaltensweisen und entwickeln alternative Verhaltensstrategien.

Nachsorge

Nach der stationären Therapie sollte eine ambulante Nachsorge stattfinden, um die Abstinenz dauerhaft zu festigen. Neben ambulanter Psychotherapie bei einem niedergelassenen Suchttherapeuten kann die Teilnahme an Selbsthilfegruppen sinnvoll sein.

Wann sollte man mit seinen Symptomen zum Arzt gehen und zu welchem?

Der Hausarzt ist bei Suchterkrankungen normalerweise der erste Ansprechpartner. Er kann an fachkundige Mediziner verweisen. Betroffene sowie gegebenenfalls auch Angehörige sollten ihn so früh wie möglich aufsuchen, da die Chancen für einen erfolgreichen Entzug umso besser stehen, je eher eine adäquate Behandlung einsetzt.

Hilfe bei Suchterkrankungen finden

Hilfe in Form von weiterführenden Informationen und Behandlungsangeboten bieten:

Haus- und Allgemeinärzte

Psychiater und Psychotherapeuten

Suchtberatungsstellen

Selbsthilfegruppen

Häufige Fragen zum Thema „Suchterkrankungen“

Abhängigkeitserkrankungen können schwerwiegende Auswirkungen auf die körperliche und psychische Gesundheit haben. Schätzungen führen rund 741.300 Krebsfälle jährlich auf Alkoholkonsum zurück, wobei starke Trinker das höchste Risiko tragen.7 Neben körperlichen Schäden drohen psychische Erkrankungen wie Depressionen oder Angststörungen. Auf sozialer Ebene können Konflikte in Familie und Beruf sowie zunehmende soziale Isolation die Lebensqualität erheblich beeinträchtigen.

In unserer Gesellschaft wird Sucht fälschlicherweise noch immer mit mangelnder Charakter- oder Willensstärke gleichgesetzt. Dabei gibt es neben sozialen und psychischen Faktoren auch genetische Dispositionen und biologische Einflüsse, die eine Suchterkrankung begünstigen. Wie die meisten anderen Krankheiten lässt sie sich daher auch nicht allein mit Willenskraft überwinden.

Bei den meisten Suchtkrankheiten ist ein kalter Entzug nicht sinnvoll. Zum einen kann das plötzliche Absetzen des Rauschmittels gravierende, mitunter lebensgefährliche Entzugserscheinungen auslösen. Zum anderen fehlt bei dieser Entzugsmethode die psychotherapeutische Begleitung, die essenziell für eine langfristige Entwöhnung ist.

1 Deutsche Hauptstelle für Suchtfragen e.V. „DHS Jahrbuch Sucht 2024“, S. 15 ff., https://www.dhs.de/fileadmin/user_upload/pdf/Jahrbuch_Sucht/DHS_Jahrbuch_Sucht_2024.pdf (Datum des Zugriffs: 16.10.2024)

2 Bundesministerium für Gesundheit „Sucht und Drogen“, Stand: 26. September 2024, https://www.bundesgesundheitsministerium.de/themen/praevention/gesundheitsgefahren/sucht-und-drogen (Datum des Zugriffs: 16.10.2024)

3 Ebd.

4 Buth, S.; Meyer, G.; Rosenkranz, M.; Kalke, J. (2024): Glücksspielteilnahme und glücksspielbezogene Probleme in der Bevölkerung – Ergebnisse des Glücksspiel-Survey 2023. Institut für interdisziplinäre Sucht- und Drogenforschung (ISD), Hamburg, S. 5, https://www.isd-hamburg.de/wp-content/uploads/2024/03/Gluecksspielsurvey_2023.pdf (Datum des Zugriffs: 16.10.2024)

5 Rauschert, Christian et al. „Konsum psychoaktiver Substanzen in Deutschland“, In: Dtsch Arztebl Int 2022; 119: 527-34; DOI: 10.3238/arztebl.m2022.0244,https://www.aerzteblatt.de/archiv/226329/Konsum-psychoaktiver-Substanzen-in-Deutschland (Datum des Zugriffs: 16.10.2024)

6 Hermann, D. „Merkblatt: Abhängigkeit und Missbrauch“, Zentralinstitut für Seelische Gesundheit in Mannheim.  https://www.zi-mannheim.de/fileadmin/user_upload/downloads/lehre/flyer/Flyer-Abhaengigkeit_und_Missbrauch.pdf (Datum des Zugriffs: 15.01.25)

7 Rumgay, H.; Shield, K.; Charvat, H.; Ferrari, P.; Sornpaisarn, B.; Obot, I.; Islami, F.; Lemmens, VEPP; Rehm, J; Soerjomataram, I. “Global burden of cancer in 2020 attributable to alcohol consumption: a population-based study”. Lancet Oncol. 2021 Aug;22(8):1071-1080. doi: 10.1016/S1470-2045(21)00279-5. PMID: 34270924; PMCID: PMC8324483, https://pubmed.ncbi.nlm.nih.gov/34270924/ (Datum des Zugriffs: 16.10.2024)

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