Zwangsstörungen

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Aktualisiert am 12. Juni 2025

 

Wichtiges im Überblick

  • Zwangsstörungen gehören zu den häufigsten psychischen Erkrankungen.
  • Sie sind durch zwanghafte Rituale (Handlungen) und Gedanken gekennzeichnet.
  • Sie erzeugen einen großen Leidensdruck und gehen oft mit Komorbiditäten einher.
  • Verhaltenstherapie und medikamentöse Behandlung können helfen.
  • Ein frühzeitiger Therapiebeginn ist sinnvoll – Hausarzt und Facharzt für Psychiatrie und Psychotherapie sind erste Ansprechpartner.

Waschzwang, Zählzwang und Co. – wenn Zwänge das Leben kontrollieren

Kontrollieren, ob der Herd ausgeschaltet ist oder Kleidungsstücke nach Farben sortieren – wer unter einer Zwangsstörung leidet, muss bestimmte Handlungen oder Rituale entgegen dem eigenen Willen ausführen. Schätzungen zufolge sind mehr als zwei Prozent der weltweiten Bevölkerung einmal im Leben von Zwängen betroffen. Damit sind Zwangshandlungen genauso gemeint wie Zwangsgedanken. Zwangsstörungen erzeugen bei Betroffenen einen großen Leidensdruck, lassen sich aber gut behandeln.

Was sind Zwangsstörungen?

Zwangsstörungen sind psychische Erkrankungen, die durch wiederkehrende, unerwünschte Gedanken (Zwangsgedanken) und/oder repetitive Handlungen (Zwangshandlungen) gekennzeichnet sind. Betroffene erkennen oft, dass diese Gedanken und Handlungen irrational sind, können sie jedoch schwer kontrollieren oder unterdrücken. ​

Wer ist von Zwangsstörungen betroffen?

Frauen und Männer sind von Zwangsstörungen ungefähr gleich häufig betroffen. Oft manifestieren sich Zwänge das erste Mal im Kindes- bzw. Jugendalter. Teilweise bilden diese sich jedoch bereits nach einigen Wochen oder Monaten von allein wieder zurück. Studien zeigen, dass Zwangserkrankungen in Familien gehäuft vorkommen.1 Darüber hinaus legt die Studienlage nahe, dass ein erstmaliges Auftreten ab einem Alter von 50 Jahren unwahrscheinlich ist.

Welche Arten von Zwangsstörungen gibt es?

Das gemeinsame Element von Zwangserkrankungen sind wiederkehrende, nicht kontrollierbare Gedanken und Handlungsimpulse. Wie genau sich diese äußern, kann ganz unterschiedlich sein. Nachfolgend werden einige häufig vorkommende Arten von Zwangsstörungen vorgestellt. Die Liste ist jedoch nicht erschöpfend, da Zwangsgedanken und -handlungen sehr individuell sein können.

Wie äußert sich eine Zwangsstörung?

Zwangsgedanken und Zwangshandlungen gehören zu den charakteristischen Symptomen einer Zwangserkrankung. Typisch ist außerdem, dass sowohl die Gedanken als auch die Handlungsimpulse als unangenehm und übertrieben erlebt werden. Gleichzeitig sind Betroffene nicht in der Lage, sie zu unterlassen. Da sie sich machtlos fühlen, erleben sie eine zusätzliche Verstärkung der Belastung.

Welche Ursachen haben Zwangserkrankungen?

Die Ursachen für die Ausbildung von Zwangserkrankungen sind vielseitig. Bei manchen Patienten lässt sich für die Erkrankung ein eindeutiger Ursprung (zum Beispiel ein traumatisches Ereignis) festmachen. Bei anderen hingegen spielen mehrere Faktoren zusammen. Grundsätzlich geht die Forschung davon aus, dass äußere Umstände, psychische Faktoren und genetische Veranlagung verantwortlich für die Entstehung einer Zwangserkrankung sind. Auch neurobiologische Aspekte sind in den letzten Jahren vermehrt in den Fokus gerückt.3

Wie wird eine Zwangsstörung diagnostiziert?

Die Basis für die Diagnose einer Zwangsstörung ist ein ausführliches Arzt-Patienten-Gespräch. In diesem werden die Zwangshandlungen und -gedanken sowie die daraus resultierenden Belastungen erhoben. Durch eine medizinische Untersuchung können körperliche Ursachen für die Beschwerden ausgeschlossen werden. Insbesondere für die weiterführende Behandlung ist eine Abgrenzung von anderen psychischen Erkrankungen wie Depressionen oder Angststörungen wichtig.

Wie wird eine Zwangsstörung behandelt?

Zwangsstörungen lassen sich zwar nicht heilen, aber recht gut behandeln. Durch eine adäquate Therapie können Patienten lernen, Impulse und Gedanken zu kontrollieren, sodass sie mehr oder weniger beschwerdefrei leben. Dabei gilt die Devise, dass der Effekt einer Therapie umso schneller eintritt, je eher die Behandlung der Störung erfolgt.

Psychotherapie

Psychotherapie ist in der Regel das Mittel der ersten Wahl, wenn es um die Behandlung einer Zwangserkrankung geht. In diesem Zusammenhang hat sich insbesondere die kognitive Verhaltenstherapie bewährt.

Medikamente

Wenn die Behandlung bei einem Therapeuten nicht ausreichend ist, um die Symptome der Störung in den Griff zu bekommen, kann unterstützend eine medikamentöse Behandlung verordnet werden. In der Regel kommen hierfür Antidepressiva in Frage. Eine medikamentöse Therapie kann auch sinnvoll sein, wenn Komorbiditäten vorliegen.

Alternativen

Medikamente und Psychotherapie gelten als wirkungsvollste Methoden zur Behandlung von Zwangserkrankungen. Ergänzend können Betroffene Angebote wie Entspannungstechniken in Anspruch nehmen, um belastende Anspannung abzubauen und Stress zu reduzieren. Auch den Austausch mit anderen Patienten in Selbsthilfegruppen empfinden viele Betroffene als unterstützend.

Bewältigung des Alltags mit Zwangsstörungen

Viele Betroffene haben Angst, aufgrund ihres Verhaltens als „verrückt“ abgestempelt zu werden. Deshalb versuchen sie, die Symptome ihrer Krankheit so gut und so lange es geht vor anderen zu verbergen. Das führt nicht selten zu zusätzlichen Komplikationen, wie zum Beispiel Konflikten und sozialer Isolation. Folgende Tipps können helfen:

  • Sich über Zwangserkrankungen informieren, um die Störung besser zu verstehen
  • Professionelle Hilfe suchen – früher Therapiebeginn verhindert Chronifizierung
  • Angehörige einweihen – Unterstützung im Freundes- und Familienkreis kann sehr hilfreich sein
  • Entspannungstechniken nutzen – können helfen, Angst zu reduzieren
  • Gesunde Routinen etablieren – verhindern Überforderung und Situationen, die Angst auslösen

Welche langfristigen Auswirkungen können Zwangsstörungen haben?

Zwangsstörungen können sehr negative Auswirkungen haben. Sie schränken nicht nur die Lebensqualität von Betroffenen und Angehörigen stark ein, sondern können auch zu Arbeitsunfähigkeit, sozialer Isolation und schweren Folgeerkrankungen führen (zum Beispiel Hauterkrankungen, Suchtmittelmissbrauch, Depressionen).

Hilfe bei Zwangsstörungen finden

Der erste Ansprechpartner bei Verdacht auf eine Zwangsstörung ist für gewöhnlich der eigene Hausarzt. Auch Fachärzte für Psychiatrie und Psychotherapie sind eine gute Anlaufstelle. Hier empfehlen sich insbesondere Experten, die auf die kognitive Verhaltenstherapie spezialisiert sind. Wer nicht direkt zum Arzt gehen möchte, kann sich auch in einer Selbsthilfegruppe informieren.

Hausarzt

Facharzt für Psychiatrie und Psychotherapie

Psychotherapeuten

Selbsthilfegruppen

Häufige Fragen zum Thema „Zwangsstörungen“

Zwangsneurose ist eine veraltete Bezeichnung für das Krankheitsbild. Heutzutage wird dieser Begriff in der Psychiatrie nicht mehr verwendet. Man spricht stattdessen von Zwangsstörung oder Zwangserkrankung.

Studien zeigen, dass viele Erkrankungen im frühen Kindes- oder Jugendalter beginnen. Viele erwachsene Patienten berichten, dass erste Symptome schon früh im Leben aufgetreten sind. Statistisch gesehen erkranken die meisten Menschen als Jugendliche im Alter von 12 bis 14 oder als junge Erwachsene von 20 bis 22 Jahren. Der Großteil aller Betroffenen erkrankt zudem vor dem 30. Lebensjahr.

Viele Menschen, die von Zwangsgedanken betroffen sind, leiden vor allem unter der Vorstellung, dass sie diese Gedanken irgendwann tatsächlich ausleben könnten. Normalerweise ist dies jedoch nicht der Fall: Wer zum Beispiel aggressive Zwangsgedanken hat, neigt nicht automatisch zu Gewalttätigkeit und will eine solche auch nicht unbedingt ausleben.

1 Blanco-Vieira, T., Radua, J., Marcelino, L. et al. The genetic epidemiology of obsessive-compulsive disorder: a systematic review and meta-analysis. Transl Psychiatry 13, 230 (2023). https://doi.org/10.1038/s41398-023-02433-2https://www.nature.com/articles/s41398-023-02433-2 (Datum des Zugriffs. 14.03.2025)

2 Guazzini A, Gursesli MC, Serritella E, Tani M, Duradoni M. Obsessive-Compulsive Disorder (OCD) Types and Social Media: Are Social Media Important and Impactful for OCD People? Eur J Investig Health Psychol Educ. 2022 Aug 15;12(8):1108-1120. doi: 10.3390/ejihpe12080078. PMID: 36005227; PMCID: PMC9407245, https://pmc.ncbi.nlm.nih.gov/articles/PMC9407245/ (Datum des Zugriffs: 14.03.2025)

3 Endres, D., Domschke, K. & Schiele, M.A. Neurobiologie der Zwangsstörung.Nervenarzt 93, 670–677 (2022). https://doi.org/10.1007/s00115-022-01331-0, https://link.springer.com/article/10.1007/s00115-022-01331-0 (Datum des Zugriffs: 14.03.2025)

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